Hölle im orthodoxen Glauben

Orthodoxe Kirche und Gesellschaft, Theologie
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Jannik
Beiträge: 9
Registriert: 01.02.2024, 22:44

Hölle im orthodoxen Glauben

Beitrag von Jannik »

Hallo, Ich habe einmal gehört, dass es im orthodoxen keine Hölle in dem Sinne gibt, dass wir durch ein Feuer gequält/ gefoltert werden, sondern dass das Leid durch die Ferne von Gott besteht.
Stimmt das, dass es keine physisch schmerzenden Qualen sind sondern andere? Wenn ja, dann wirkt die Hölle ja aber auf z.B. Protestanten oder Freikirchler anders, denn sie hassen Gott ja nicht, sondern Glauben ja dennoch an ihn.
Ich hoffe, dass ihr mit helfen könnt.
Alois
Beiträge: 44
Registriert: 30.03.2021, 12:43

Re: Hölle im orthodoxen Glauben

Beitrag von Alois »

Hallo Jannik,

zunächst einmal: Auch in der Orthodoxen Kirche gibt es die Vorstellung von einer Hölle mit Feuer und Höllenqualen. Denn diese Vorstellung findet sich in der Bibel, z.B. in der Rede vom Endgericht in Matthäus 25 und an verschiedenen Stellen in der Offenbarung (z.B. im Kapitel 20).
Allerdings: Es gibt keine ausgeprägte und kohärente Lehre von der Hölle. Unterschiedliche Apekte und Vorstellungen stehen nebeneinander:

Die Hölle findet keine Erwähnung im Glaubensbekenntnis. Im Katechismus des Hl. Filaret von Moskau z.B. gibt es nur einen einizgen kurzen Abschnitt (380) der von der Hölle handelt. Er beschreibt sie als den Ort ewigen Todes bzw. ewigen Feuers für die Ungläubigen und Gesetzlosen. Und zitiert die die oben genannten Bibelstellen.
Die Kirche hat aber kein Interesse an der Bestrafung der Ungläubigen oder an einem Urteil über ihr Schicksal. So kann Sergij Bulgakov in seiner "Lehre der Orthodoxen Kirche" schreiben: "Über die anderen jedoch, diejenigen, d.h. diejenigen, die nicht zur Kirche gehört haben, oder von ihr abgefallen sind, urteilt die Kirche nicht, sondern überläßt sie der Barmherzigkeit Gottes."

In den Hymnen der Karwoche und vor allem des Karsamstags wird immer wieder besungen, wie Christus in die Hölle hinabgestiegen ist, um alle, die sich dort befinden von der Herrschaft des Todes und des Bösen zu befreien, und die Macht der Hölle gänzlich zu zerstören.

Dann gibt es wieder Gesänge darüber, dass die Hölle zwar herrscht, aber die Herrschaft nicht ewig sein wird.

Und unter den Gebeten für die Verstorbenen findet sich auch die Bitte für "die, die in der Hölle festgehalten werden". Metropolit Hilarion (Alfeyev) versteht diese Bitte als Hinweis, dass die Hölle kein ewiger Zustand ist, sondern dass es Erlösung selbst aus den Höllenqualen gibt.

Und dann gibt es auch die Vorstellung, - von der Du selbst ja geschrieben hast, - dass die Hölle vor allem der schmerzliche Zustand ist, von Gott getrennt und abgeschnitten zu sein. Diese Vorstellung gibt es z.B. beim Hl. Symeon dem Neuen Theologen.

Aber wie gesagt, alle diese Vorstellungen stehen (mehr oder weniger sich ergänzend) nebeneinander.
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Igor
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Re: Hölle im orthodoxen Glauben

Beitrag von Igor »

Grüß Gott und willkommen im Forum, Jannik!

In Ergänzung zur Vorantwort von Alois hier ein Lesetipp, ein kleines Büchlein, erhältlich bei Edition Hagia Sophia:

:arrow: Erzpriester Georgios Metallinos: Paradies und Hölle in der orthodoxen Tradition

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Diakon Igor
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Als der Höchste hernieder fuhr, verwirrte Er die Sprachen, zerteilte Er die Völker, nun, da Er Feuerzungen ausgeteilt, ruft Er alle zur Einheit: Einmütig preisen wir deshalb den Heiligen Geist. (Pfingstkondakion im 8. Ton)
Jannik
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Re: Hölle im orthodoxen Glauben

Beitrag von Jannik »

Vielen Dank, was würden Sie zu diesem Artikel sagen? https://elijamission.net/katholische-un ... nd-hoelle/
Alois
Beiträge: 44
Registriert: 30.03.2021, 12:43

Re: Hölle im orthodoxen Glauben

Beitrag von Alois »

Bei dem Artikel handelt es sich um einen katholischen Autor, der die orthodoxe(n) Lehre(n) nicht korrekt darstellt. Der Autor schreibt z.B., dass in der Orthodoxen Kirche Himmel und Hölle lediglich als Zustände des Menschen verstanden werden, in der Katholischen Kirche jedoch nur als geistige Orte. Das ist einseitig bzw. verzerrend, da es in der Orthodoxen Kirche beide Vorstellungen nebeneinander gibt.
Richtig ist, dass die Orthodoxe Kirche die unbiblische Vorstellung des Fegefeuers nicht kennt. Die Schlussfolgerung des kath. Autors daraus ist aber nicht richtig. Er schreibt, dass die kath. Lehre tröstlicher sei, weil es mit dem Fegefeuer sozusagen eine Möglichkeit der Reinigung nach dem Tod gibt. Die es seiner Meinung nach in der Orthodoxie nicht gibt. Dabei überträgt er das kath. Verständnis der Hölle als einem endgültigen Zustand (oder Ort) auf die orthodoxe Lehre. In der Orthodoxie gibt es aber durchaus die Vorstellung, dass die Hölle nicht endgültig ist und dass man für die in der Hölle festgehaltenen vor Gott eintreten kann. Das kommt u.a. in verschiedenen Hymnen und Gebeten zum Ausdruck - wie ich oben schon geschrieben habe.
In seinem Buch über die orthodoxe dogmatische Theologie kommt Metropolit Hilarion (Alfeyev) zum umgekkehrten Schluss als der Autor des von Dir verlinkten Artikels. Er erkennt in den besagten gottesdienstlichen Texten einen Hinweis darauf, "dass die Orthodoxie die Dinge viel optimistischer sieht, weil sie an die Möglichkeit einer Erlösung von den Höllenqualten glaubt".
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