G - wie Große Fastenzeit

Orthodoxe Kirche und Gesellschaft, Theologie
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MariaM
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Re: Kurze Fragen - kurze Antworten!

Beitrag von MariaM »

Hallo Stephan,
also einen "Makel" hätte das Kind meiner Meinung nach bestimmt nicht! Zumindest kann ich mir das nicht vorstellen - aber ich bin auch kein "Experte"...

Aber mal generell dazu - ist es wirklich allen Ernstes so gemeint, dass verheiratete Paare die ganze Fastenzeit über gar nicht zusammen sein dürfen, (also im Sinne von "Sex haben")? Auch z.B. am Wochenende nicht, wo ja das Fasten auch sonst etwas abgemildert ist (Öl und Wein)...? Ich meine, das sind immerhin 6-7 Wochen... das dürfte für so manches Paar eine ziemliche Belastungsprobe sein... oder?
Ich meine mal gelesen zu haben, dass es auch nicht wirklich sinnvoll sei, sich unbedingt streng an die Fastenregeln zu halten, dadurch aber seinen Ehepartner quasi abzuweisen bzw. vor den Kopf zu stossen. Oder ist das eine zu "liberale" Auslegung, eures Erachtens?

Hm, aber nochmal zu der Ausgangsfrage: Wenn es wirklich nicht erlaubt wäre, in den Fastenzeiten Kinder zu zeugen, gäbe es ja so einige Zeiten im Jahr, wo keine oder kaum KInder zur Welt kommen - also immer jeweils 9 Monate nach derjenigen Fastenzeit? Ich meine, es gibt die Vorweihnachts-Fastenzeit, dann die jetzige Grosse Fastenzeit vor Ostern, dann auch noch das Apostelfasten und im August das der Hl.Gottesgebärerin... Das ist schon ein recht grosser Teil des Jahres, wo man "nicht dürfte"...

Was sagt ihr anderen hier dazu?

Danke. Gruss, M.
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Igor
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Re: Kurze Fragen - kurze Antworten!

Beitrag von Igor »

MariaM hat geschrieben:Hallo Stephan,
also einen "Makel" hätte das Kind meiner Meinung nach bestimmt nicht!
Nein, von einem Makel ist nicht die Rede. Es ist eher etwas Generelles, was es zu beachten gilt. Kinder tragen die Veranlagungen der Eltern in sich, sowohl die biologischen (z.B. Anfälligkeiten gegenüber bestimmten Krankheiten) als auch die geistlichen (z.B. Anfälligkeiten gegenüber bestimmten Leidenschaften) oder, wie es in einem alten Sprichwort heißt: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“
MariaM hat geschrieben:Aber mal generell dazu - ist es wirklich allen Ernstes so gemeint, dass verheiratete Paare die ganze Fastenzeit über gar nicht zusammen sein dürfen, (also im Sinne von "Sex haben")? Auch z.B. am Wochenende nicht, wo ja das Fasten auch sonst etwas abgemildert ist (Öl und Wein)...? Ich meine, das sind immerhin 6-7 Wochen... das dürfte für so manches Paar eine ziemliche Belastungsprobe sein... oder?
Korrekt.
MariaM hat geschrieben:Ich meine mal gelesen zu haben, dass es auch nicht wirklich sinnvoll sei, sich unbedingt streng an die Fastenregeln zu halten, dadurch aber seinen Ehepartner quasi abzuweisen bzw. vor den Kopf zu stossen.
Auch da ist was dran. Im übertragenen Sinne: „Was nützt es mir, wenn ich kein Fleisch esse, dafür aber ‚meinen Nächsten gefressen habe‘“.

Wir sollten nach unseren Kräften nach dem streben, was geboten ist.

In Christo
Igor
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Als der Höchste hernieder fuhr, verwirrte Er die Sprachen, zerteilte Er die Völker, nun, da Er Feuerzungen ausgeteilt, ruft Er alle zur Einheit: Einmütig preisen wir deshalb den Heiligen Geist. (Pfingstkondakion im 8. Ton)
Lazzaro
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Re: Kurze Fragen - kurze Antworten!

Beitrag von Lazzaro »

Hat es irgendeine Form von "Makel", abgesehen davon, dass Frau und ich dann gegen Fastenregeln verstoßen hätten?
Lieber Stephan,
Ein Kind hat doch keine Verantwortung für das, was vor seiner Geburt geschehen ist. Also auch nichts für etwas, das mit seiner Zeugung zu tun hat. Jesus sagt über den blind Geborenen:
Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden." (Johannes 9:3.)
Das gilt selbstverständlich für alle!

Was die Fastenregeln betrifft, solltet ihr Erwachsenen sie so gestalten, daß das Familienleben keinen Schaden nimmt. Auch Streit durch Frust kann eine Sünde sein.
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Hermann
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Re: Kurze Fragen - kurze Antworten!

Beitrag von Hermann »

Lesenswert ist zu dieser Thematik auch dieser englischsprachige Artikel Sex and Great Lent.

LG, Hermann
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SebastianS
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Re: Kurze Fragen - kurze Antworten!

Beitrag von SebastianS »

Also ich habe es bisher so verstanden (zumindest in der russischen Kirche):

Das Ideal ist es, an allen Fastentagen auf Sexualität zu verzichten (zumindest wenn beide Ehepartner gläubig sind und versuchen ein Gott wohlgefälliges Leben zu leben). Wenn man glaubt, das nicht zu schaffen, dann sollte man am besten wirklich mit dem geistlichen Vater darüber sprechen. Es gibt ja auch schließlich noch die Oikonomia. Das ist bei den anderen Fastenregeln ja nicht anders.

Insgesamt sollte man aber auch versuchen, diesen Zeitrahmen ordentlich einzuschätzen. Es sind eben auch NUR 6-7 Wochen. Wenn die Frau schwanger wird, oder evtl. sogar aus gesundheitlichen Gründen die Sexualität für einen gewissen Zeitraum nicht mehr möglich ist, dann müssen die Ehepartner auch für einen deutlich längeren Zeitraum enthaltsam leben. Ich finde, dass die Fastenzeiten und -tage da eine sehr gute Schule sind, die die Kirche in ihrer Weisheit eingesetzt hat, um den Menschen auch auf solche Eventualitäten vorzubereiten, dass er auch in solchen Situationen nicht von seinen Leidenschaften übermannt wird.
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MariaM
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Re: G - wie Große Fastenzeit

Beitrag von MariaM »

Danke für alle Antworten, ich lese jetzt mal den englischen Text aus dem Link... M.
stephan
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Re: G - wie Große Fastenzeit

Beitrag von stephan »

Auch von mir herzlichen Dank für die bisherigen Antworten. Ich fand auch die Ausführungen unter dem Link von Hermann sehr interessant, wenn auch durch das Englisch, die langen Sätze und den Mangel an Absätzen etwas zäh zu lesen :mrgreen: wer genau hat das geschrieben, wer ist der Mensch, ein Priester?

Manche Antworten gingen aber genau in die Richtung, die ich nicht beabsichtigte, denn mir ging es ausdrücklich nicht um das "Sex ja/nein", sondern um den theoretischen Fall einer Schwangerschaft während der Fastenzeit, um das spätere Kind. Das theoretisch entstehende Kind war das Thema meiner Frage und ob dieses "belastet" sei.

Wir haben mit der Enthaltsamkeit keine größeren Probleme, vielleicht auch weil wir keine 18-20 mehr sind. Aber wenn man zeugen MÖCHTE, aber an rund 125 Tagen (zuzüglich der Samstage vor Kommunion!) im Jahr möglichst nicht zeugen darf, und wenn man dann noch ein kleines monatliches Zeitfenster treffen muss, während dem man am besten keinen Stress und Überstunden im Büro hat, dann frage ich mich, wo die vielen Kinder in der Kirche herkommen. :) Gesund sehen sie jedenfalls alle aus, Gott behüte sie.
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Thuja
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Re: G - wie Große Fastenzeit

Beitrag von Thuja »

Gute Frage, Stephan!! :lol:
Tja, da gibt's dann wohl bestimmte einzelne "Ausnahmeregelungen" mit den geistlichen Vätern... und "Unfälle" passieren halt auch mal... :roll: aber dafür sind die Eltern ja auch verheiratet... :oops:

Grinsegrüße
Thuja
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Hermann
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Re: G - wie Große Fastenzeit

Beitrag von Hermann »

stephan hat geschrieben: :mrgreen: wer genau hat das geschrieben, wer ist der Mensch, ein Priester?
Dieser Artikel stammt vom Betreiber des Blogs selbst, John Sanidopoulos. Ein orthodoxer Christ und akademischer Theologe
By the grace of God I am an Orthodox Christian, by heritage a Greek-American, by birth a Bostonian, by my deeds a great sinner, and by my calling a theologian in the academic sense. I have completed four academic degrees in Religion, Philosophy, History and Theology. Currently I live in Boston, Massachusetts and run a weblog called Mystagogy (http://www.johnsanidopoulos.com) that deals with a variety of topics from an Orthodox Christian perspective of the 21st century.
Quelle: http://www.gadel.info/2013/07/john-sani ... z43REUlFPg

LG, Hermann
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MariaM
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Re: G - wie Große Fastenzeit

Beitrag von MariaM »

@Stephan, weil du schreibst "Samstage vor der Kommunion" - aber vor Mitternacht dürfte man doch...oder?! Ich kenne es so, dass die Enthaltsamkeit (auch von Essen und Trinken) ab Mitternacht gilt, wenn man zur Kommunion gehen möchte (plus natürlich Gebete zur Vorbereitung usw.). Gibt es da Unterschiede in den Anweisungen oder der jeweiligen Praxis? Wenn ja, warum...? Mir haben das mehrere orthodoxe Priester so gesagt - wobei man natürlich vor Mitternacht kein "Fressgelage" veranstalten sollte, sondern eher leicht und bescheiden essen... ;-)
Danke. Gruss, Maria
stephan
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Re: G - wie Große Fastenzeit

Beitrag von stephan »

Naja, das habe ich aus dem von Hermann verlinkten Text. Meine Frau lehrte mich auch, das gälte ab dem späten Abend.

EDIT: ich hatte es falsch in Erinnerung, da steht tatsächlich nur "die Nacht davor". Wobei "Nacht" da nicht genau definiert ist, das könnte ja, nach ganz alter Lesart, schon die Zeit ab Sonnenuntergang sein.
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Igor
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Re: G - wie Große Fastenzeit

Beitrag von Igor »

Grüß Gott!

Manchmal taucht die Frage auf, dass die Fastenzeit in der orthodoxen Kirche länger als vierzig Tage dauern würde, weil sie sieben Wochen währen würde. Das stimmt genau genommen nur teilweise:

Denn heute, am Freitag der sechsten Fastenwoche, geht die vierzigtägige Große Fastenzeit zu Ende, ab morgen beginnt mit dem Lazarussamstag und mit dem Hochfest des Einzug des Herr in Jerusalem die letzte Etappe der Vorbereitung auf das Osterfest, dem höchsten Fest der Christen, der Auferstehung Christi – die Karwoche.

In den heutigen Stichiren wird gesungen „Die den Seelen nützlichen vierzig Tage vollendend, bitten wir, auch die heilige Woche deines Leidens schauen zu dürfen, o Menschenliebender, um zu verherrlichen in derselben deine Großtaten und deinen unaussprechlichen Heilsplan über uns, die wir einmütig singen: Herr, Ehre sei dir!“

Vierzig Tage haben wir also gefastet und damit unser (kleines) Opfer dargebracht, nun werden wir Christus bei seinem Erlösungsopfer für uns bis zu seiner lichten Auferstehung begleiten.

In diesem Sinne, euch allen eine gesegnete Karwoche!

In Christo
Igor
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Lazzaro
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Re: G - wie Große Fastenzeit

Beitrag von Lazzaro »

Das habe ich gerade gefunden:
Fastenrezepte in der Süddeutschen Zeitung.
https://rezept.sz-magazin.de/rezept-kol ... enrezepte/
L.
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Thuja
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Re: G - wie Große Fastenzeit

Beitrag von Thuja »

Gute Rezepte, danke!

Liebe Grüße
Thuja
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Marian
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G - wie Große Fastenzeit

Beitrag von Marian »

Grüß Gott Niniviten,
Igor hat geschrieben: 27.02.2012, 08:36 Ein Gebet, welches in der Großen Fastenzeit besondere Bedeutung erhält ist das

Gebet des Hl. Ephräm von Syrien

Herr und Gebieter meines Lebens, den Geist des Müßigganges, des Kleinmuts, der Herrschsucht und Schwatzhaftigkeit gib mir nicht!

Gib hingegen mir, Deinem Knecht, den Geist der Keuschheit, Demut, Geduld und Liebe!

Ja, Herr, mein König, lass mich sehen meine Fehltritte und nicht richten meinen Bruder, weil Du hochgelobt bist in die Ewigkeiten der Ewigkeiten. Amen.
Aber warum spreche ich euch mit Niniviten an, die Heiden, die Jonas zu Gott bekehrt hat?
Unter keinen Umständen weil ich in euch Heiden oder Sünder erkenne. Nein, weil uns diesmal allerstrengstes Fasten auferlegt wird, wie den Niniviten. Zu Essen und Trinken kommt noch Freunde treffen, Hände geben, raus gehen und vieles mehr hinzu. Eben wie bei den Niniviten, wo sich selbst ihre Viecher dem Wasser saufen enthalten haben.
Wie komm ich drauf? Von Ephräm dem Syrer habe ich heute die "Rede über den Propheten Jonas und die Busse der Niniviten" gelesen. Hier:
https://bkv.unifr.ch/works/201/versions ... ions/86590
Hat mich bewegt und passt so gut zur derzeitigen Situation. Ist wirklich empfehlenswert und beschreibt so gut wie die Ungläubigen und Stolzen sich Angesichts des prophezeihten nahen Endes alles nur Erdenkliche auferlegen. Doch trotz allem:

"Obwohl sie nicht starben, litten sie doch Qualen, da sie den Tod bei lebendigem Leibe kosteten. Während dieser sechs Wochen hatten es die Toten besser als sie; sie lebten zwar ihr Leben fort, aber sie waren schon tot, wenn auch noch nicht begraben. Da begegnete ein Bruder dem andern, aber er erkannte dessen Züge nicht; ein Mann traf seinen Freund, aber er vermochte nicht seine Gestalt zu unterscheiden. Auch das Ohr war nicht imstande, die Stimmen voneinander zu unterscheiden, wie auch das Auge die Gestalten nicht voneinander unterscheiden konnte. Vor Gram waren sie ja den Schatten der Finsternis und durch jenes strenge Fasten angebrannten Scheitern gleich geworden."

Schauen wir mal. Meine Nachbarn haben jedenfalls heute noch gelacht, als ein orth. Mönch im Fernsehen sagte, dass Beichten gegen den Tod mehr als alle anderen Vorkehrungen hilft.


Marian
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