Wie widerlegt man die Behauptung, die „Weisheit Salomos“ lehre Reinkarnation?

Wie sollen Wörter ins Deutsche übersetzt und orthodoxe Realien ausgedrückt werden?
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Chrischi
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Wie widerlegt man die Behauptung, die „Weisheit Salomos“ lehre Reinkarnation?

Beitrag von Chrischi »

Ihr Lieben,

mein Anliegen ist ein exegetisches. Da ich nicht wusste, unter welcher Rubrik ich es posten sollte, mache ich es hier unter „Begriffe und Übersetzung“ – das scheint mir von allen gebotenen Optionen am sinnvollsten zu sein.

Es geht um Weish 8,19–20:

„Ich war aber ein begabtes Kind und hatte eine gute Seele erhalten; [20] ja vielmehr, da ich tüchtig war, kam ich in einen unbefleckten Leib.“

Einige meinen, hier einen Hinweis auf Reinkarnation sehen zu können – und ich finde den Text in den mir vorliegenden Übersetzungen auch nicht leicht zu verstehen. (Die Lehre von der Reinkarnation ist ja sowohl aus meiner protestantischen als auch aus römisch-katholischer und, ich denke, aus orthodoxer Sicht eine Häresie.) Ich glaube nicht, dass der Verfasser heidnisches Gedankengut wie Reinkarnation aufgegriffen hat – nichtsdestotrotz stellt sich mir die Frage, was genau der Verfasser meinte. Dass er „eine gute Seele erhalten“ hat, muss man nicht im Sinne einer „Seelenwanderung“ verstehen – ein Gedanke, der dem Juden- und Christentum ja fremd ist. „Seele“ (hebr. nefesch; griech. psyche) hat ja verschiedene Bedeutungen und kann u. U. auch i. S. v. „Gemüt“ verstanden werden, was an dieser Stelle sinnvoll wäre. Aber was ist mit der darauffolgenden Aussage, dass er (der Verfasser), „da“ er „tüchtig war“, „in einen unbefleckten Leib“ gekommen ist? Menschen, die von Reinkarnation ausgehen, wollen hierin sehen, dass Salomo in einem vorirdischen Leben „tüchtig“ gewesen und deshalb (als Belohnung?) „in einen unbefleckten Leib“ gekommen sei. Wie würdet ihr darauf antworten?

Wenn jemand versucht, Texte zu verdrehen, gelingt mir – Gott sei’s gedankt! – die Auflösung meist recht gut, aber bei diesem Text habe ich irgendwie „ein Brett vor ’m Kopf“, wie man so schön sagt …

Beste Grüße

Chrischi :book:
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Igor
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Re: Wie widerlegt man die Behauptung, die „Weisheit Salomos“ lehre Reinkarnation?

Beitrag von Igor »

Grüß Gott!

Ich zitiere mal den Kommentar der „The orthodox study bible“ zu der benannten Bibelstelle:
„8:19,20 Orthodox theology teaches that the body is the outer covering or “tent” of the soul (2Pt 1:13), and that together they comprise the human person. The soul is inherently good and comes into being at the time of conception (see Zec 12:1)“.
Zudem ist es immer sinnvoll, den breiteren Kontext des Zitates zu berücksichtigen, damit dieses nicht aus dem Zusammenhang gerissen und der ursprünglich gemeinte Sinn verfälscht wird.

In Christo
Igor
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Als der Höchste hernieder fuhr, verwirrte Er die Sprachen, zerteilte Er die Völker, nun, da Er Feuerzungen ausgeteilt, ruft Er alle zur Einheit: Einmütig preisen wir deshalb den Heiligen Geist. (Pfingstkondakion im 8. Ton)
Marian
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Re: Wie widerlegt man die Behauptung, die „Weisheit Salomos“ lehre Reinkarnation?

Beitrag von Marian »

Servus Forer,

„ 17 Als ich dies bei mir überlegte und in meinem Herzen erwog, dass Verwandtschaft mit der Weisheit Unsterblichkeit bringt, 18 die Freundschaft mit ihr reine Freude und die Mühen ihrer Hände unerschöpflichen Reichtum, dass stete Übung des Umgangs mit ihr Klugheit bringt und das Zwiegespräch mit ihr Ruhm - , da ging ich auf die Suche nach ihr, um sie heimzuführen. 19 Ich war aber ein begabtes Kind und hatte eine gute Seele erhalten; [20] ja vielmehr, da ich tüchtig war, kam ich in einen unbefleckten Leib. 21 Ich erkannte aber, dass ich die Weisheit nur als Geschenk Gottes erhalten könne - und schon hier war es die Klugheit, die mich erkennen ließ, wessen Geschenk sie ist. Daher wandte ich mich an den Herrn und flehte zu ihm und sprach aus meinem ganzen Herzen:
Salomos Gebet um Weisheit
> 1 Gott der Väter und Herr des Erbarmens, du hast das All durch dein Wort gemacht. 2 Den Menschen hast du durch deine Weisheit bereitet, damit er über deine Geschöpfe herrscht. 3 Er soll die Welt in Heiligkeit und Gerechtigkeit leiten und Gericht halten in rechter Gesinnung. 4 Gib mir die Weisheit, die an deiner Seite thront, und verstoß mich nicht aus der Schar deiner Kinder! 5 Ich bin ja dein Knecht, der Sohn deiner Magd, ein schwacher Mensch, dessen Leben nur kurz ist und zu gering an Einsicht in Recht und Gesetz. 6 Wäre einer auch vollkommen unter den Menschen, er wird kein Ansehen genießen, wenn ihm deine Weisheit fehlt. < “ Weish 8,17 bis 9,6

Und siehe da, dem Hinweis von Igor folgend kann man das Zitat etwas ausweiten und schon ist es gottergeben und orthodox.
Er(Salomo) kam also zu der Erkenntnis, die stete Suche nach Weisheit bringt ein Leben voll Freude, Reichtum, Klugheit, Ruhm und sogar Unsterblichkeit. (jetzt das eigentliche Zitat:) Vom Ausmaß dieser Erkenntnis übermannt, folgert er, "er ist ein begabtes Kind" und " hatte (durch Gott mittels seiner Eltern) eine gute Seele erhalten". Und weil er "tüchtig war" seine Begabungen zu nutzen wusste [mit Gottesfurcht, Getzestreue, Bußfertigkeit und tiefsten Glauben]* erhielt er (sich) "einen unbefleckten Leib".
[]*Diese Eigenschaften nicht nennend, beweist er sie doch im Folgenden durch a) "Ich erkannte aber, dass ich die Weisheit nur als Geschenk Gottes erhalten könne - und schon hier war es die Klugheit, die mich erkennen ließ, wessen Geschenk sie ist. Daher wandte ich mich an den Herrn ..." und b) durch das Gebet an sich.
Nun kann der gewitzte Heide leicht sagen, dass diese Deutung einem Ossi im bayr. Exil entsprungen sein müsste. Daher möchte ich als Beweis noch die Väter zu Wort kommen lassen:

BEZÜGLICH DER SEELE (aus Orth. Dogmatische Theologie/Pomazanskij):
- Das 5. Ökum. Konzil (553) weist entschieden die Ansicht des Origines (Nachredner der Philosophie Platons) zurück und verurteilt sie. Dieser hatten den Irrglauben propagiert die Seele hätte eine Präexistenz und käme aus einer höheren Welt zur Erde.
- Die Art und Weise wie jede einzelne Seele entsteht, ist uns nicht umfassend offenbart und ist "ein Geheimnis, das nur Gott bekannt ist" wie der Hl. Kyrill von Alexandria erkennt.
- Viele Lehrer und Väter der Kirche (Tertullian, Gregor der Große, Gregor von Nyssa, Makarius der Große, Anastasius der Presbyter) lehren uns, Seele und Körper erhalten gleichzeitig ihren Beginn, indem die Seele von den Seelen der Eltern ausgeht und der Körper von den Körpern der Eltern entstammt. "Wie auch der Körper ursprünglich gebildet wurde, und nachfolgend der Strom der menschlichen Körper nicht von dieser zuerst gegformten Wurzel abgeschnitten wurde, da in dem einem Menschen die anderen eingeschlossen sind - so kommt auch die Seele, von Gott eingehaucht, von dieser Zeit an in die Gebildete Zusammenfürgung des Menschen, von neuem geboren und vom ursprünglichen Samen (Schöpfungsakt) her vielen mitgeteilt und bewahrt dabei stets eine gleichbleibende Form in unsterblichen Gliedern." Hl. Gregor der Theologe
BEZÜGLICH DES LEIBES (aus Krankheit und Heilung aus orth. Sicht/Larchet):
- Im allgemeinen ist es orthodox, dass körperliche Schwächen und Krankheiten nicht von der Schwäche der Seele hervor gerufen werden, sondern im Gegenteil - von der seelischen Gesundheit. Der Auffassung in 1Kor10,13 folgend,"... lasst Gott duch ihn (den Teufel) den geistlichen Menschen solches Übel zufügen, wissend, dass jene, denen es gelingt, diese Übel in Gottesgemeinschaft zu ertragen, daraus unermesslichen spirituellen Gewinn ziehen werden, den sie aus sich allein und auf andere Weise nie erlangen könnten."
-Darüber hinaus erkennen die Väter allerdings auch die offentsichtliche Erkenntnis an: "Es gibt Menschen, denen körperliche Krankheiten widerfahren, die durch ethischen Mangel ihrer Seele bedingt sind." (Hl. Nikolaos Kabasilas) und "Krankheit entstammt manchmal den Leidenschaften." (Hl. Seraphim von Sarov). Unser weiser Salomo könnte also das gemeint haben.
- Die Verbindung von tüchtig und unbeflekter Leib besteht in jedem Fall und ist orthodox, wie der Hl. Johannes Climaus erkennt: "Wenn der Mensch mit der göttlichen Liebe vereint ist, mit ihr zusammenfließt, sieht man in seinem Leib - einem Spiegel gleich - die Heiterkeit und den Glanz seiner Seele erstrahlen, so wie bei Moses, als er geehrt wurde, die Gottesschau zu erlangen und sein Antlitz ganz und gar Licht wurde."
BEZÜGLICH DER HEIDEN; DER VERÄCHTER DES WAHREN GLAUBENS UND DER IRRGLÄUBIGEN GEMÄß DER LEHRE LUTHERS u.Ä.
- Hl. Vinzenz von Lerin (+450) "Auf welche Weise gelingt es mir wohl am besten, unter Beschreitung des echten, also königlichen Weges, die Wahrheit des orthodoxen Glaubens von der Lüge der häretischen Abschweifungen abzugrenzen, und fast immer gaben mir alle, fast Wort für Wort, folgende Antwort: Wenn irgend einer - sei es nun ich oder sonst jemand - der häretischen Lüge entkommen und wohlauf und im richtigen Glauben beharren möchte, dann sollte er mit Gottes Hilfe seinen Glauben auf zweierlei Weise abgrenzen, erstens durch die Autorität der Heiligen Schrift, und zweitens durch die Überlieferung der Ökumenischen Katholischen (d.h. Orthodoxen) Kirche. Da mag einer fragen: Wenn das aufgezeichnete Wort Gottes heilig, allvollkommen und immer gänzlich verständlich ist, sofern man die einen Stellen mit den anderen vergleicht, welche Notwendigkeit besteht dann noch, ihm die Autorität der orthodoxen Interpredation hinzuzufügen?
Diese Notwendigkeit besteht deshalb, weil gerade wegen ihrer hervorragenden Höhe nicht alle die Heilige Schrift in ein und demselben Sinn verstehen, sondern einer legt ihre Aussagen so aus, ein anderer anders; sodass man beinahe aus ihr so viele Gedanken herausholen kann, wie es Köpfe gibt. Und eben darum ist es völlig unerlässlich, bei solch einer Vielzahl von Verirrungsmöglichkeiten, den Faden der Auslegung der prophetischen und apostolischen Schriften nach der Norm der kirchlichen und ökumenischen Lehrmeinung zu spannen. In der Ökumenischen Kirche ist es auf jeden Fall angebracht, sich an das zu halten; WAS ÜBERALL GEGLAUBT WURDE; WAS IMMER GEGLAUBT WURDE; WAS ALLE GLAUBTEN. Denn nur das ist tatsächlich und im besondern Sinne ökumenisch, wie auch die Bedeutung dieses Wortes zeigt, welches so weit wie möglich, alles in sich schließt. Dieser Regel wollen wir schließlich getreu sein, unter der einzigen Bedingung, dass wir uns an die Prinzipien der universitas, der antiquitas und des consensus halten wollen. Der universitas folgen, heißt als wahr nur jenen Glauben anzuerkennen, welchen die ganze Kirche auf dem ganzen Erdball bekennt (450n.C.); der antiquitas folgen heißt, in keinem Falle von der Lehre, welche ohne jeden Zweifel unsere Heiligen Väter und Vorväter vertraten, abzuweichen; dem consensus folgen, heißt schließlich, von den Ursprüngen an nur jene Glaubenssätze und Auslegungen zu akzeptieren, welche von allen oder wenigstens von allen kirchlichen Hirten und Lehrern vertreten wurden."
- "Ich glaube orthodox... Unter dieser Bedingung ist das Theologisieren keine abstrakte gedankliche Übung, keine intelektuelle Dialektik, sondern das Einwohnen der eigenen Gedanken in den göttlichen Wahrheiten, eine Ausrichtung des Geistes und (vor Allem) des Herzens auf Gott hin - und eine Erkenntnis der Göttlichen Liebe." Erzpriester Michail Pomazanskij

Ist lang geworden, doch wie ich hoffe hilfreich.

M
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