Nikolaj hat geschrieben:Der genannte Priester hat schon öfters "Sachen" von sich gegeben. Mit allem Respekt zum Amt, das er bekleidet, gehören seine Reden verboten. Er vertritt radikale Positionen und ich wundere mich auch, warum ihm von der Obrigkeit solches erlaubt wird.
Das ist gut zu wissen, daß solche Äußerungen schon mal aufgefallen sind und prinzipiell unterbunden werden könnten. Würde er so etwas in vergleichbarer Position in einem deutschen katholischen Bistum öffentlich sagen, dann würde ihn der Bischof zu einem "einseitigen Jawohlgespräch" einladen und im Wiederholungsfalle ein Interdikt aussprechen. Abgesehen davon bekäme er noch Post von der Staatsanwaltschaft wegen Kriegsverherrlichung, und das kann ein Bischof auch nicht ganz ignorieren.
Nikolaj hat geschrieben:Aber, selbst wenn der Patriarch etwas sagt, was nicht orthodox ist, ändert das nicht die orthodoxe Lehre. Man muss also selbst bei hochrangigen Klerikern zwischen Meinung und offizieller Lehre unterscheiden.
Ja, das glaube ich auch: Nur die Kirche ist unfehlbar, nicht der Einzelne, selbst wenn er gebildet oder ein hoher Hierarch ist. Aber deswegen meine ich auch, daß man widersprechen muß, wenn so etwas auffällt, damit sich die Wahrheit herausstelle. Und ein bißchen ärgert mich auch, daß es da tatsächlich Grund für schlechte Presse im SPIEGEL gibt. Eine Verleumdung wäre ja nicht so schlimm.
Priester Alexej hat geschrieben:Und trotz schikt Gott den Menschen Drangsahlen - damit es ihnen jetzt schlecht geht, ihm zukünftigen Leben aber gut.
Ehrlich, das glaube ich nicht. Im Alten Bund, da wird das so gewesen sein. Aber seither hat Gott zu diesem Zweck Seinen Sohn geschickt, der die Apostel, und die wiederum die Priester, damit die Menschen verständliche Predigten hören und aus freier Überzeugung sich Gott zuwenden. Und nicht bloß, weil sie gerade Linderung ihres Leides wollen. Das ist doch eine komische Gottesliebe, wenn man nur etwas von Ihm will. Und es müßte ein ziemlich zynischer Gott sein, der uns erstens so manipulieren würde und dem zweitens so eine komische Gottesliebe ausreicht.
Priester Alexej hat geschrieben:Fairerweise muss man festhalten, dass V. Wsewolod nicht gesagt hat, dass er einen Krieg wünscht, auch hat er ihn nicht heraufbeschwört. Er hat gesagt - "Gott sei Dank, dass es einen Krieg geben wird". Ich bin mir sicher, dass er den Krieg nicht als etwas positives sieht. Aber es gibt ein russisches Sprichtwort - es gibt kein Übel ohne Gutes.
Ja, so ein Wort gibt es bei uns auch: "Man weiß nicht, wozu das noch gut ist." Aber abgesehen von der Frage um Kriegsverherrlichung stört mich diese verdrehte Finalität. Es heißt in Röm. 3,8, daß man nichts schlechtes tun dürfe, damit Gutes daraus entstehe. Daran wird sich doch Gott selber auch halten! Vor allem heißt es explizit, daß Er uns nicht Anfechtungen und Versuchungen schickt, damit wir uns dort bewähren. Es geht schließlich oft genug schief. Anstatt sich z.B. in einer Hungersnot zu bewähren (um mal Krieg beiseite zu lassen), fängt jemand an zu stehlen. Und diese eingeübte "Erwerbsmöglichkeit" behält er noch bei, wenn sich die Zeiten bessern. Was soll da Gutes sein?
Priester Alexej hat geschrieben:Nach dem zweiten Weltkrieg wurde in Deutschland Tausende Kirche gebaut, und sie alle waren voll. Jetzt, nach einigen Jahrzehnten Frieden geht es den Menschen toll - viel Technik, Lebensmittelüberfluss, soziale Sicherheit. Aber diese Kirchen werden abgerissen.
Diese Kirchen wurden gerade zum leichten späteren Abriß gebaut. Sie wurden gebaut für die vielen Flüchtlinge aus Schlesien, Pommern, Ostpreußen, Sachsen, Preußen, Mecklenburg, Thüringen und Anhalt und genau die füllten diese Kirchen. Es war so gedacht, daß nach ein paar Jahrzehnten diese Kirchen nicht mehr benötigt werden, weil die Menschen wieder zurückkehren würden in die Gebiete, von denen man damals dachte, sie seien nur temporär unter polnischer oder sowjetischer Verwaltung. Und ehrlich gesagt findet keiner diese Stahlbetonkirchen der Nachkriegszeit besonders schön und erhaltenswert.
Die Menschen sind aus dem Krieg keineswegs frommer herausgekommen als sie hineingezogen sind. Wie soll man sich auch in Nächstenliebe üben, wenn man lernen muß, andere Menschen zu verwunden oder gar zu töten? Im Gegenteil leidet das Ansehen der Kirchen in Deutschland bis heute massiv darunter, daß zu viele Christen den Kriegsoptimismus der Nazis für vereinbar mit ihrem Glauben hielten, und daß zu wenige Christen in der Situation zum Märtyrertod bereit waren. Das ist ein Grund, warum die Kirchen jetzt leerer sind, obwohl die Schlesier, Pommern und Preußen noch da sind. Da wurde das Christentum von den 68ern in Mithaftung für den Krieg der Nazis genommen. Das hat gewirkt, so wie 1918 die Orthodoxe Kirche in Mithaftung für den Krieg der Imperialisten genommen wurde. Mir täte es deswegen sehr leid, wenn Rußland sich in einem Krieg nochmal materiell ruiniert, um sich hinterher auch spirituell zu ruinieren.
MariaM hat geschrieben:Und was ich bedenklich finde, ist bei dem russischen Priester auch dieses "offensichtlich Staatstragende", diese unkritische Haltung zu Putin, als wäre der ein wer weiss wie toller Christ... So wirkt es zumindest auf mich (mag natürlich sein, dass manches in den Medien nicht ganz richtig dargestellt ist). Orthodoxe Christen sollten doch wohl weitgehend unabhängig von der Staatsmacht denken und handeln (ws ja absolut nicht ausschliesst, Patriot zu sein!)... - und für Frieden beten!
Ja, und das tut mir gerade besonders weh. Ich bin mir gewisser Lehrdefizite der kath. Kirche bewußt, aber die sprachlich beste neue spirituelle Heimat ist für mich unmöglich geworden, weil ich auch nicht Vaterlandsverrat gegen Lehre eintauschen kann.
Priester Alexej hat geschrieben:Hierbei muss man aber klar unterscheiden - der Priester ist nicht nur Priester, sondern auch Bürger seines Landes. Er kann also - als Bürger - seine private politische Meinung haben und äußern.
Aus der Sicht eines liberalen Staates kann er das durchaus. Da kann er von mir aus sogar Kriegshetze betreiben, obwohl das bei uns verboten ist. Aber selbst als freier Bürger hat man Treueverpflichtungen gegenüber Dritten, die man freiwillig eingegangen ist. Ein Angestellter kann gefeuert werden, wenn er öffentlich seine negative Meinung über seinen Arbeitgeber preisgibt, selbst wenn es nach Feierabend ist. Um wieviel mehr muß also auch ein Priester mit seiner privaten politischen Meinung treu zur Kirche stehen!