Puhu...hier sind aber die Temperamente hoch gekocht... Womit mal wieder bewiesen wäre, dass es sich um ein sehr emotionales Thema handelt.
Kurz zu Würzburg, da es sich um "meine" Gemeinde handelt.
Würzburg ist eine "besondere" Gemeinde, da diese Gemeinde in ihrem Ursprung eine rein deutschsprachige Gemeinde war. Die Russen kamen erst später hinzu. Der Gründungsvater, der verstorbene Erzpriester Peter Plank, wird auch heute noch von den Leuten, gleich welcher Nationalität, sehr vereehrt und in Ehren gehalten. Vermutlich ist dies auch der Grund, weshalb diese Gemeinde sich ihrer eigenen Tradition so bewusst ist, und diese auch pflegt und pflegen will. Die Menschen hatten erlebt, dass deutschsprachige Orthodoxie kein Verlust, kein Weniger, kein Halbgares oder Verdächtiges ist, sondern genauso orthodox. Was gab es nicht von meinen russischen Geschwistern für einen Aufschrei der Empörung als zu Beginn 2012 der alte Kalender (auf Vladyka Feofans Geheiß) eingeführt wurde... Der Gottesdienst wird wirklich wenigstens zu 50% in deutscher Sprache gehalten und es gibt auch von der Atmosphäre keinerlei Seperation oder Überlegenheitsgefühle oder dergleichen. Es ist tatsächlich eine bunt gemischte Gemeinde und jeder freut sich wie ein kleines Kind, wenn der jeweils andere die Begrüßung/Verabschiedung in der jeweils anderen Sprache sagt (also ich auf russisch und die "meine" Russen auf deutsch).
Da ich gerade umgezogen bin, habe ich seit September eine neue Gemeinde. Auch hier geht es sehr offen zu. Der Priester (und wie ich letzten Sonntag im Gespräch feststellen durfte auch die Gemeindemitglieder) halten die orthodoxen westlichen Heiligen in großen Ehren, sei es durch Ikonen, Wallfahrten etc. Es ist ein echtes Anliegen und so hatten wir ganz lebhafte, interessante Gespräche, die auch richtig Spaß machen können. Es ist eine Entdeckungsreise, für beide Seiten.
Was mir aber schon auffällt ist, dass Orthodoxie in Deutschland definitiv nicht bekannt ist. Sie wird als etwas Exotisches, Fremdes wahrgenommen (wenn sie denn überhaupt bekannt ist): Bei Behörden wird man als konfessionslos gelistet. In den Städteinformationen zur religiösen Zusammensetzung ihrer Bevölkerung ist die Orthodoxie selten zu finden - hingegen gibt es Auskünfte über Zeugen Jehovas, Muslime, Neuapostoliker etc. In verschiedenen Foren in denen man die Glaubenszugehörigkeiten angibt, werden zwar Freikirchen aufgeführt aber kaum die Orthodoxie. Werde ich nach meiner Glaubenszugehörigkeit gefragt und der Begriff orthodox fällt, so werde ich entweder dem Judentum zugeordnet oder es folgt, wenn der Fragende christlich etwas besser gebildet ist, die Frage ob russisch oder griechisch, meist noch mit dem Zusatz ob ich Russin oder Griechin sei. Was mir dann bei den ausführlichen Erklärungen, die dann meinerseits nötig werden, stets auffällt ist, dass das Gegenüber Orthodoxie als etwas Fremdes betrachtet, eine fremde Religion sozusagen. Und damit auch ihn/sie nichts weiter angeht, also nichts mit ihm/ihr zu tun hat. Dass der WEsten eine sehr alte orthodoxe Tradition hat, die es lediglich wiederzuentdecken gilt, ist kaum jemandem bewusst.
Also folgere ich daraus, dass noch mehr als genug PR Bedarf für den Leib Christi besteht!
Was braucht's dazu? Einen Klerus, der die Kirche im Hier und Jetzt führen will und der seinen Schäfchen die Orthodoxie vor Ort näher bringt (durch die Ikonen, durch die Reliquienverehrung, durch Heiligenviten, durch Pilgerfahrten). Deutschsprachige Konvertiten, die sich klar machen, dass Gott keine Schauspieler will (Stephanie spielt die Russin) und dass sie bereit sein müssen aktive Glieder des Leibes Christi zu sein indem sie sich einbringen (auch sie können Heiligenviten bekannt machen, auf Orte hinweisen, Pilgerfahrten organisieren oder die Vermittlerrolle übernehmen um interjurisdiktionelle Aufgaben am Ort zu übernehmen, die "Werbetrommel" im Bekanntenkreis schlagen, nicht in Zeugen Jehovas Manier sondern informativ und unaufdringlich). Und xx-sprachige Geschwister, die bereit sind mal ein wenig loszulassen und ebenfalls die Neugier aufbringen sich mal auf etwas einzulassen und Neues Altes zu entdecken, sei es ein Hl. Benedikt, eine Hl. Lioba, Hl. Kilian, Hl. Totnan, Hl. Kolonat, Hl. Bonifatius, Hl. Ansgar, Hl. Ludgerus, Hl. Afra, Hl. Emmeran, Hl. Felix, Hl. Martin etc. etc. etc.
In diesem Sinne meine Lieben, ich wünsche euch, meinen Brüdern und Schwestern, egal welcher Sprache, Haut- und Haarfarbe, Mentalität, Kleidergröße und Literaturvorlieben, Hobbies oder Essgewohnheiten einen wunderschönen und gottgefälligen Abend