Kampf gegen Zorn.

Neu in der orthodoxen Kirche - Wie lebe ich als orthodoxer Christ? Alle allgemeinen Fragen rund um die Orthodoxie.
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Ivan1983
Beiträge: 36
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Kampf gegen Zorn.

Beitrag von Ivan1983 »

Ich bin von Natur aus ein empfindlicher Mensch. Und wenn mich jemand ungerecht behandelt trifft mich das innerlich. In allermeisten Fällen löst dieser Wunsch nach Gerechtigkeit einen inneren Zorn in mir. Manchmal kann ich das unterdrücken, manchmal lass ich diesen Zorn an meine Mitmenschen raus und es kommt zum Streit. Wenn ich zornig bin, fehlt mir jede Fähigkeit dabei vernünftig zu argumentieren. Im nachhinein versuche ich das ganze zu analysieren und stelle fest, dass ich nicht immer im Recht bin und anders regieren sollte. Nach Situation bete ich, wenn ich zornig bin zum Gott, und flehe ihn an meine Seele vom Zorn zu befreien und mir innere Ruhe und Frieden zu geben und es klappt. Aber meistens im Zorn bete ich nicht, weil dieser Wunsch nach Gerechtigkeit mich verführt oder eine unpassende Situation grade ist. Das Unterdrücken des Zorns schadet mir umso mehr und macht mich emfindlicher. Wie kann man damit umgehen?
Всякое дыхание да хвалит Господа.
Pr. Vladimir
Priester
Beiträge: 7
Registriert: 23.08.2012, 23:01
Religionszugehörigkeit: russisch-orthodox

Re: Kampf gegen Zorn.

Beitrag von Pr. Vladimir »

Lieber Ivan,

die orthodoxe Sicht auf das menschliche Dasein hier auf Erden ist geprägt von dieser wichtigen Erkenntnis: unsere menschliche Natur ist eine gefallene Natur. Sie ist nicht mehr die ursprüngliche von Gott geschaffene, sie ist verdunkelt, sie ist von der Gottesferne und der Sünde beschädigt. Das Gleichgewicht der im Menschen wirkenden Kräfte, die ursprüngliche Ordnung, die von Gott gewollte Hierarchie vom Geist über der Leiblichkeit ist durcheinander geraten. Daraus ergeben sich viele Konsequenzen für uns Menschen, wie etwa unsere Leidenschaften, z.B. der Zorn. Ein hl. Vater (dessen Name mir nicht einfällt) hat einmal gesagt, dass die Leidenschaften die "verrückt gewordenen Tugenden" sind. Der Zorn etwa soll den Menschen vor den bösen Einflüssen schützen, so was wie geistige Immunität sein, die die Integrität der Seele gewährleistet. Doch leider setzen wir den Zorn allzu oft gegen den ursprünglichen Zweck ein - unsere Mitmenschen müssen darunter leiden.

Die Heilige Schrift warnt von dem Zorn " denn im Zorn tut der Mensch nicht das, was vor Gott recht ist (Jakobus 1,20)" oder "Laß dich nicht schnell zum Ärger reizen; denn der Ärger wohnt in der Brust der Toren." (Prediger 7,9) oder etwa: "Alle Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung sei von euch weggetan samt aller Bosheit. (Epheser Brief 4,31)".

Nun was tun? Der ständige Kampf gegen die eigenen Leidenschaften gehört fest zum Leben eines jeden Christen, diese Erkenntnis ist schon Mal ein guter Anfang. Die heiligen Väter unserer Kirche, insbesondere Mönchsväter, haben uns sehr viel über diesen inneren Kampf in ihren Schriften hinterlassen. Auf ihre Ratschläge würde ich in erster Linie zurückgreifen. Suchen Sie nach der entsprechenden Literatur, es ist bestimmt Einiges in deutscher Sprache da. Zum Beispiel weiß ich, dass das berühmte Werk des hl. Nikodemus Agioreites (vom Berg Athos) "Der unsichtbare Krieg" ins Deutsche übersetzt ist. Allerdings erfordert die Lektüre einige Mühe, es wäre außerdem geistige Anleitung von großem Vorteil. Im russischen Radio "Grad Petrov" wurde vor einiger Zeit eine Reihe von Gesprächen mit einem erfahrenen Mönch, einem Klostervorsteher ausgestrahlt, der das Buch vom Hl. Nikodemus kommentiert und verständlich erklärt. Wenn Sie des Russischen mächtig sind, wäre das für Sie sicher eine nützliche Sache, man bekommt die Sendung auch auf einer CD.

Was die Väter betonen, ist das Erkennen eigener Schlechtigkeit und Sündhaftigkeit vom großen Nutzen. Wenn ich mich ständig darin übe, werde ich nicht mehr so anfällig für den Zorn sein. Wir halten leider viel zu viel von uns selbst, so dass der Teufel ein leichtes Spiel hat, uns in den Zorn zu treiben. Daran sollte man, so die Väter, ansetzen - wenn wir uns immer wieder unsere eigene Schwäche vor Augen führen, können uns die Vorwürfe anderer Menschen nicht mehr so verletzen. In dem Glauben daran, dass Gott der Herr unser Heil baut, werden wir viel mehr in der Lage sein, sie dankbar anzunehmen, weil wir darin die Gotteshand sehen.

Wenn Sie sich am Fasten der Kirche beteiligen, wird es Ihnen sicherlich helfen, den Zorn zurückzudrängen. Ein Gebet mit Verneigungen jeden Morgen, vor dem Beginn des Tages, außerdem ein geordneter Tagesablauf wird sicherlich auch dazu beitragen. Noch ein Mal, am besten Sie holen einen Rat von ihrem geistigen Vater, der Sie besser kennt und Ihnen eine geeignete Hilfestellung anbieten kann!

Ich wünsche Ihnen darin Gottes Hilfe!

Pr. Vladimir
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