Über die Weltkrise - Der hl. Nikolaj (Velimirovic)

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Nemanja
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Über die Weltkrise - Der hl. Nikolaj (Velimirovic)

Beitrag von Nemanja »

Hl. Nikolaj (Velimirovic)
Über die Weltkrise [1]

Du fragst mich, o Mann Gottes, woher die heutige Krise komme und was sie bedeute.[2] Wer bin ich, dass du mich über ein so großes Geheimnis befragst? "Rede, wenn du etwas besseres hast als das Schweigen", sagt der heilige Gregor der Theologe. Obwohl ich der Ansicht bin, dass Schweigen hier besser ist als jede Rede, will ich um der Liebe willen für dich darlegen, was ich denke über das, worüber du mich befragst.

"Krise" ist ein griechisches Wort (κρίσις), das "Gericht" bedeutet. In der Heiligen Schrift wird dieses Wort oft gebraucht. So sagt der Psalmist: "Deswegen werden die Gottlosen nicht aufstehen beim Gericht" (Ps 1,5). An anderer Stelle sagt er: "Von Erbarmen und Gericht will ich Dir singen, Herr" (Ps 100,1). Der weise Salomo schreibt: "Vom Herrn kommt alle Gerechtigkeit" (Spr 16,33). Der Erlöser Selbst sagt: "Das ganze Gericht ist dem Sohn übergeben" (Joh 5,22), und etwas später: "Nun ist das Gericht dieser Welt" (Joh 12,31). Und der Apostel Petrus schreibt: "Die Zeit ist da, dass das Gericht seinen Anfang nimmt vom Hause Gottes" (1 Petr 4,17).

Statt "Krise" lies mithin "Gericht". In der Vergangenheit benutzten die europäischen Völker in der Tat das Wort "Gericht", wenn ihnen ein Unheil widerfuhr. Heute aber hat man jenes alte Wort durch das moderne Wort "Krise" ersetzt, und das Offenkundige ist unverständlich geworden. Wenn früher eine Dürre eintrat, eine Überschwemmung, wenn es zum Krieg kam oder eine Seuche ausbrach, wenn Hagel niederprasselte, die Erde bebte, Ungeziefer einfiel und andere Übel geschahen, sagte man: "Gottesgericht!" Das bedeutet: Gericht vermittels Dürren, Gericht vermittels Überschwemmungen, vermittels Krieg, vermittels Seuchen usw.

Auch die heutigen finanziellen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten betrachtet das Volk als Gottesgericht, doch man nennt sie nicht mehr Gericht, sondern "Krise". Und so vervielfältigt man die Schwierigkeiten, weil man sie nicht mehr versteht! Solange man sie mit dem verständlichen Wort "Gericht" bezeichnete, kannte man auch ihre Ursache sowie den Richter, Der die Schwierigkeiten zuläßt. Man wußte auch um den Zweck dieses Zulassens der Schwierigkeiten. Doch seit man das Wort "Krise" benutzt, das von niemandem begriffen wird, weiß auch niemand mehr zu erklären, warum die Schwierigkeiten kommen, noch von Wem, noch wozu. Nur in diesem unterscheidet sich die jetzige "Krise" von den "Krisen" der Dürre, der Überschwemmungen, der Kriege, der Epidemien, der Rattenplagen und anderer Prüfungen.

Du fragst mich nach der Ursache der jetzigen "Krise", des jetzigen Gottesgerichts. Die Ursache ist stets dieselbe. Die Ursache der Dürren, der Überschwemmungen, der Epidemien und der anderen Plagen, die das Menschengeschlecht heimsuchen, ist auch die Ursache der heutigen "Krise". Es ist die Apostasie der Menschen von Gott. Mit der Sünde des Abfalls von Gott haben die Menschen diese Krise hervorgerufen, und Gott hat sie erlaubt, um die Menschen aufzuwecken, um ihnen ihre Sünde zum Bewußtsein zu bringen, um sie zum geistigen Leben und zur Rückkehr zu Ihm zu bewegen.

Für die modernen Sünden gibt es auch die moderne "Krise", das moderne Gericht. Gott benutzt in der Tat moderne Mittel, um die modernen Menschen aufzurütteln. Er hat die Banken geschlagen, die Börsen, die Volkswirtschaften, die Finanzen und Währungen. In der ganzen Welt hat Er die Tische der Geldwechsler umgeworfen, so wie Er es einst im Tempel von Jerusalem tat. Er hat eine niedagewesene Panik hervorgerufen unter den Geschäftsleuten und denen, die sich mit dem Devisenhandel befassen. Er hat Verwirrung und Angst hervorgerufen. All das hat Er getan, um die hochmütigen Köpfchen der Weisen Europas und Amerikas aufzuwecken, damit sie zur Besinnung kommen und sich dem Geistigen zuwenden möchten. Um sie loszureißen vom behäbigen Wohlstand, von der Verankerung im Hafen der materiellen Sicherheit und sie an ihre Seelen zu erinnern, damit sie ihre Übertretungen bekennen und sich niederbeugen vor dem Allerhöchsten, dem Lebendigen Gott.

Wie lange die Krise dauern wird? Solange, wie der Geist der Menschen ohne Berichtigung bleibt. Bis die hochmütigen Verantwortlichen dieser Krise zurücktreten vor dem Allmächtigen. Bis die Völker und Nationen das unverständliche Wort "Krise" zurückübersetzen in ihre eigene Sprache und mit Reumut und Wehklage ausrufen: "Gottesgericht!"

Sag auch du, ehrwürdiger Vater, "Gottesgericht" statt "Krise", und alles wird dir sonnenklar werden.

Segensgrüsse und Frieden Dir


[1] Der vorliegende Text entstammt den "Hierapostolischen Briefen" des Hl. Nikolaj, Bischof von Žiča und Ochrid, genannt der „serbische Chrysostomos“ (1880-1956, siehe Das Synaxarion am 5. März und Vorspann zum Prolog von Ochrid, Verlag J.A. Wolf, Orthodoxen Quellen und Zeugnisse, Apelern 2009), geschrieben in der Zeit von 1937-1941. Es handelt sich um Brief 8, der sich an den Priester Karan richtet. Dt. Übersetzung aus griech. und
engl. vom Kloster des Hl. Johannes des Vorläufers, Chania 2011.

[2] Bezieht sich auf die Große Depression, die Weltwirtschaftskrise, die 1929 mit dem Börsenkrach einsetzte und in den Zweiten Weltkrieg einmündete.

Quelle: http://www.prodromos-verlag.de/
Nemanja
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Re: Über die Weltkrise - Der hl. Nikolaj (Velimirovic)

Beitrag von Nemanja »

Das Thema ist heute wieder aktuell.
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