Grüß Gott!
Lazzaro hat geschrieben: Erst einmal vielen Dank, daß es nach über 20 Jahren ein Russe geschafft hat (Ich hoffe es war nicht all zu schwer) , den Begriff "richtig orthodox" mit Nichtrussen in eine positive Verbindung zu bringen.
Diese eingangs getroffene Aussage ist schon bei nur oberflächlicher Betrachtung offensichtlich nicht stichhaltig. Allein die Tatsache, dass es seit Jahren bzw. Jahrzehnten mehrere deutschsprachige Gemeinden vornehmlich in der ROK in Deutschland gab bzw. gibt, dürfte sofort klarstellen, dass diese Aussage lediglich – ich formuliere es mal äußerst vorsichtig – Polemik ist.
Lazzaro hat geschrieben:Die Sache mit den beide Sphären bedeutet also, daß mit dem Begriff ORTHODOXIE zwei völlig verschiedene Dinge Bezeichnet werden:
Zum einen ist ORTHODOXIE eine Form des Christentums zu der alle Menschen ungeachtet ihrer Nationalität, ihrer Würdigkeit oder anderer Merkmale eingeladen sind, an der Gnade Gottes teilzunehmen. Ich schlage mal den Terminus Technicus "christliche Orthodoxie" vor.
Zum anderen ist ORTHODOXIE eine nationale Ideologie, die zwar durch christlichen Inhalte vermittelt wird, wobei die christl. Inhalte selbst aber völlig irrelewand und jederzeit ersetzbar sind: Zum Beispiel durch "Peterchens Mondfahrt" oder Homers "Odysee". Das deckt sich auch mit dem, was mir ein russ. Gewährsmann sagte: Die Leute kämen ...
... nicht einmal auf die Idee daß ORTHODOXIE eine theologische Dimension haben könnte.
Ich schlage mal den Terminus Technicus "nationale oder kulturelle Orthodoxie" vor. (Wobei die Begriffe Nationalität und Kultur bei mir sowieso fast deckungsgleich sind.)
Das heißt die Leute gehen in die Kirche, weil sie an die russ. Kultur und nicht aber an die Existenz Gottes glauben?
(Deshalb fühle ich mich in der russ. Kirche ständig wie in einer anderen Religionsgemeinschaft) +
Hier beginnt das Missverständnis: Wenn
„1) orthodox als rechtgläubig und der kanonischen Orthodoxen Kirche angehörend“ hier noch richtig dargestellt wird, liegt bei
„2) orthodox als Träger einer Orthodoxen (Landes)Kultur“ mit Verlaub eine völlig falsche Interpretation des von Vr. Alexej Ausgeführten vor.
Wie ist es also denn richtig zu verstehen? Ich sehe das so:
Sphäre 1) umfasst
alle rechtgläubigen Christen.
Sphäre 2) ist immer eine
Untermenge oder Teilmenge von Sphäre 1) und somit Bestandteil von Sphäre 1). Das ist schließlich darin begründet, dass es eine Vielzahl
orthodoxer Völker/Länder/Regionen/Ortskirchen gibt, welche quasi diese „Untermengen“ bilden und die alle ihre speziellen Traditionen in die Gesamtheit der orthodoxen Kirche einbringen – damit aber der Orthodoxie
nicht entgegenstehen. Die Aussage, dass
„die christl. Inhalte selbst aber völlig irrrelevant und jederzeit ersetzbar“ wären, ist somit falsch, denn in so einem hypothetischen Falle wäre 2)
nicht als „orthodox“ zu bezeichnen und damit zwangsläufig nicht zu 1) zugehörig. Und, wenn
„Leute […] nicht aber an die Existenz Gottes glauben“, dann sind sie folglich außerhalb von 1)
und von 2)!
Mehr Details dazu auch im Vortrag von Priestermönch Paisios
„Einheit in der Vielfalt“, in dem dieses Thema ausgezeichnet abgehandelt wird und dessen Rezeption ich unbedingt ans Herz legen würde (dauert ca. 50‘).
Lazzaro hat geschrieben:Aus Sicht der christlichen Orthodoxie muß ich allerdings feststellen, daß hier die allgegenwärtige Panhäresie des Ethnophiletismus durch Nationalismus, verdeckt durch eine hauchdünne Fassade Christentum, noch getoppt wird.
Oder anders ausgedrückt: Für die Nationale Orthodoxie ist die christliche "nicht richtig orthodox" - und - Für die Christliche Orthodoxie ist die nationale "nicht richtig orthodox". Kan man das irgendwie auflösen?
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Wie kann man nun christliche und nationale Orthodoxie in der Praxis unterscheiden? Und wie kann ich als Nichrusse, -grieche, -et cetera sicher sein, daß man mir gegenüber vom christl. Orthodoxie redet, aber eigentlich doch die nationale meint / praktiziert?
Wie soll man mit nationaler Orthodoxie umgehen, wenn man Patriotismus als ethnophiletistische Häresie verurteilt und Nationalismus als einen Verstoß gegen das Erste Gebot: Du wirst keine Götter neben mir haben! verabscheut?
Diese Fragestellung(en) sowie die vorangestellte Feststellung mit den daraus folgenden Ableitungen resultieren aus der oben offengelegten falschen Interpretation von 2).
Sie erübrigen sich offensichtlich von selbst durch die oben dargestellte bzw. richtiggestellte Tatsache, dass 2) immer eine Teilmenge von 1) ist.
Wenn jmd. im Rahmen von 2) innerhalb der Orthodoxie – also 1) – ist, dann kann er nicht gleichzeitig außerhalb der Orthodoxie sein und damit gibt es diesen „konstruierten“ Gegensatz nicht.
In Christo
Igor