Kirche und Staat

Orthodoxe Kirche und Gesellschaft, Theologie
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Florianklaus
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Kirche und Staat

Beitrag von Florianklaus »

Orthodoxe Kirchen in Österreich "kriminelle Organisationen"?

http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_ ... ungsschutz
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Priester Alexej
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Re: Pussy Riot - Aktionen - Re-Aktionen

Beitrag von Priester Alexej »

Jetzt werden sie mit dieser Klage nicht durchkommen. Was in 10-20 Jahren sein wird, ist aber ungewiss.
Apostolischer Kanon 39 (32): Priester und Diakonen sollen ohne Wissen und Willen des Bischofs Nichts thun: denn dieser ist's, welchem das Volk des Herrn anvertraut worden, und von welchem Rechenschaft über ihre Seelen gefordert werden wird.
Stefan
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Re: Pussy Riot - Aktionen - Re-Aktionen

Beitrag von Stefan »

Dann werfe ich mal die spitzfindige Frage ein : Wie sähe es dann mit Römer 13 aus ("Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen.")? Die Kirche wird vom Staat als kriminell eingestuft, verboten und "aufgelöst". Gottesdienste sind ab dann illegal. Und dann auch noch die "Gedankenverbrechen" - widerstrebten dann Christen, die ihrem Glauben treu bleiben, tatsächlich Gottes Ordnung?
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Florianklaus
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Re: Pussy Riot - Aktionen - Re-Aktionen

Beitrag von Florianklaus »

Stefan hat geschrieben:Dann werfe ich mal die spitzfindige Frage ein : Wie sähe es dann mit Römer 13 aus ("Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen.")? Die Kirche wird vom Staat als kriminell eingestuft, verboten und "aufgelöst". Gottesdienste sind ab dann illegal. Und dann auch noch die "Gedankenverbrechen" - widerstrebten dann Christen, die ihrem Glauben treu bleiben, tatsächlich Gottes Ordnung?
Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen. Apg 5,29
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Hermann
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Re: Pussy Riot - Aktionen - Re-Aktionen

Beitrag von Hermann »

Hallo Stefan,
das war ja schon alles da in der Geschichte, dass der Staat die Kirche verboten und für illegal erklärt hat...weniger in Österreich als etwa in der Sowjetunion.

Zu Röm 13: Ich denke, die Stelle hat ihre Gültigkeit bis zu einer gewissen Grenze, wenn die überschritten wird, dann werden vielleicht andere Bibelstellen wichtiger. Zum Glück gibt es ja die ganze Bibel und die ganze Tradition der Kirche und an diesen gilt es sich zu orientieren.

LG, Hermann
Sucht zuerst das Reich Gottes, alles andere wird euch hinzugeschenkt.
Nikolaj
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Re: Pussy Riot - Aktionen - Re-Aktionen

Beitrag von Nikolaj »

Hallo Stefan,
1 Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet. 2 Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt der Anordnung Gottes; die ihr aber widerstreben, ziehen sich selbst das Urteil zu. 3 Denn vor denen, die Gewalt haben, muss man sich nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes; so wirst du Lob von ihr erhalten. 4 Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst: Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht das Strafgericht an dem, der Böses tut. 5 Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen. 6 Deshalb zahlt ihr ja auch Steuer; denn sie sind Gottes Diener, auf diesen Dienst beständig bedacht. 7 So gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt; Zoll, dem der Zoll gebührt; Furcht, dem die Furcht gebührt; Ehre, dem die Ehre gebührt.

Wenn man den gesamten Absatz liest, erschließt sich der Sinn besser. Es scheint mir eher darum zu gehen, dass man nicht rebellieren soll und Gesetze missachten, weil man die Obrigkeit dieser Welt nicht achten will.

Wenn man natürlich mit "Sola Scriptua" herangeht, und dabei auf protestantischer Weise die ersten paar Verse nimmt, hat man natürlich ein Problem. :)
Stefan
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Re: Pussy Riot - Aktionen - Re-Aktionen

Beitrag von Stefan »

@Florianklaus: Diese Stelle aus der Apg kam mir auch in den Sinn.

@Hermann: Stimme Dir voll zu: Die Kirche passt ihre Lehre nicht an die Gesetze des Staates an. In einem solchen Fall wäre wohl, so denke ich, der Gang in den Untergrund das Unvermeidliche - wie schon oft in der Geschichte geschehen.

@Nikolaj: Natürlich soll kein Christ die Gesetze eines Staates mißachten. Aber die natürliche Grenze ist dort, wo die Gesetze eines Staates nicht mehr denen Gottes entsprechen - wie oft schon passiert. Dann gilt meiner Meinung nach das paulinische Wort nicht mehr, dann ist der Staat nicht mehr Dienerin Gottes und demzufolge Unterordnung unter solche Gesetze nicht zu leisten (Um hier mal ein Beispiel aus paulinischer Zeit zu wählen: Der Kaiserkult).

Das sind jedenfalls meine Gedankengänge zu diesem Thema. Ich denke nicht, dass man in einem Staat, der repressiv gegen die Kirche vorgeht, als Christ völlig reibungsfrei leben kann.
Nassos
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Re: Pussy Riot - Aktionen - Re-Aktionen

Beitrag von Nassos »

Es sei zu bedenken, dass Paulus in einem antitheistischen Reich gelebt hat, als er das schrieb. Die Behandlung dieser Stelle (nicht von uns, sondern der Kirche) wäre hochinteressant, aber klar ist, dass Gott über allem stehen muss.Ansonsten könnte Paulus (und wir) sich nicht des Kreuzes rühmen.
Aber dann in einem separaten Strang, wenn es nicht darum gehen sollte, wie diese Stelle in Zusammenhang mit PR steht.
Stefan
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Re: Pussy Riot - Aktionen - Re-Aktionen

Beitrag von Stefan »

Nein Nassos, so war es nicht gedacht, das war nur ein Einwurf auf den Link von Florianklaus. Also Back to topic und gerne einen separaten Strang. Oder gabs den nicht schon mal? :mrgreen:
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Mirjanin
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Re: Kirche und Staat

Beitrag von Mirjanin »

Eines wird in dieser Diskussion übersehen:

Ein Beispiel: Ein normaler Angestellter mit langjähriger Berufserfahrung, unverheiratet, Steuerklasse I verdient im Monat 2600 Euro. Ausgezahlt werden ihm nach Abzug von Steuer noch ca. 1600 Euro. Davon gehen nochmal Steuern runter, von Kfz-Versicherung bis Praxisgebühr bis GEZ bis Benzinsteuer (ca. 90 ct bei Literpreis 1,50 Euro)

Nicht zu vergessen, dass auf sein bereits besteuertes Einkommen 19% Mehrwertsteuer abgezogen werden. Im Ganzen ergibt sich vielleicht je nach individueller Sparsamkeit und Kostensituation (z.B. Miete) ein verwertbares Realeinkommen von 200-400 Euro

An anderer Stelle führte ich bereits einmal aus, dass sich Sklaverei dadurch auszeichnet, dass der Sklave 100% seiner Erträge dem Meister abzuliefern hat. Ich stellte daraufhin die unbeantwortet gebliebene Frage, was man denn bei einer Abgabenquote von 75% sei? Ein 3/4 Sklave !?

Vom Hl. Augustinus ist aus seinem Werk "De civitate Dei" das bemerkenswerte Zitat überliefert: "Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande?"

Bedeutend ist dabei das Wort RECHT. Zu Zeiten Augustinus verband man Recht eben nicht mit ein paar beliebig nach Sonderinteressen zusammengestellten Gesetzesparagraphen, sondern mit dem (christlichen) Naturrecht.

Um die Zusammenhänge zu verdeutlichen zitiere ich mich aus dem Thema Orthodoxie und Wirtschaft. Zum Thema "Recht heute" schrieb ich:
"Dieses "ökonomische Gottesspielertum" (Roland Baader) wurzelt tief in einer kranken Rechtsauffassung, wonach Wahrheit relativ ist. Zum Verständnis: Im christlichen Naturrecht unterstehen alle Mitglieder der Gesellschaft - vom Bettler am Straßenrand bis zum Kaiser (!) - allgemein gültigen Rechtsprinzipien. Niemand, selbst der Kaiser nicht, durfte sich gegen diese von Gott bestimmte Rechtsordnung stellen! Nicht umsonst geht der Begriff "Tyrannenmord" auf diesen Umstand zurück, nämlich einen Herrscher, der sich durch Missachtung des Rechts (der Wahrheit) vom Herrscher zum Tyrannen wandelte und dessen Mord als legitimer Akt der Notwehr (!) war.

Man vergleiche diese Situation mit heute, in Zeiten erodierter Gerechtigkeitsvorstellungen! Heute wird Recht vom Gesetzgeber produziert (wie ein Gut!), alle Bürger haben sich diesen Gesetzen zu unterwerfen - egal ob es dem Anspruch der Gerechtigkeit Genüge tut! Es wird nicht mehr gefragt nach dem was Recht sei, es wird nicht versucht das Recht zu finden, sondern Recht wird nach Belieben gesprochen - für zusätzliche Wählerstimmen, monetäre und nicht-monetäre Zuwendungen oder aus ideologischen Gründen."
Erkenntnis: "Recht" damals und "Recht" heute sind fundamental verschieden. Gleiches Wort, neuer Inhalt. Aussagen der Kirchenväter und der Bibel sind demzufolge keineswegs auf die Situation heute zu beziehen, sondern müssen im Kontext ihrer Zeit verstanden werden.

Bedauerlicherweise ist in christlichen Kreisen ein Muster zu beobachten: Nach erfolglosem Widerstand gegen antichristliche Propaganda wird deren Argumentation sukzessive übernommen. Was für Christen eine Generation vorher noch Häresie war, wird plötzlich als "Tradition" gepriesen. Da erleben wir heute fehlgeleitete Brüder und Schwestern, die den todbringenden Sozialismus gutheißen, Gottes Königtum mit Spott und Häme überziehen, das Stehlen und Bestohlen werden im Kapitalismus als gottgewollte irdische Prüfung sehen und bereitwillig vor den 'neuen Herren' auf dem Boden rumrutschen. All das ist falsch und eine Verdrehung der Tatsachen.

Insofern ist es fundamental falsch, z.B. Röm 13 auf die heutige Situation zu beziehen.
Was sie nicht verstehen können, ist das wir keine politische Partei bekämpfen, sondern die Mörder der spirituellen Kultur.
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Igor
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Re: Kirche und Staat

Beitrag von Igor »

Grüß Gott!

Ich möchte noch einmal auf das grundlegende Verhältnis der Christen zum Staatswesen zurück kommen, Mirjanin hat in seinem Beitrag ja auch schon angefangen, dieses Thema etwas breiter zu reflektieren.

Die für mich herausragende Schlüsselstelle, das Verhältnis Staat – Kirche betreffend, ist im neuen Testament gleich dreimal vorhanden in Mt 22,21, Mk 12,17 und Lk 20,25:
So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!
An dieser Stelle formuliert Christus klipp und klar das Verhältnis von Christen und Staat. Er macht keine Einschränkungen dazu, ob der Kaiser nun ein gerechter sei oder nicht (bzw. die Staatsmacht). Das war sicherlich in der damaligen Zeit nicht gerade der Fall. Daher gilt aus meiner Sicht dieses auch noch uneingeschränkt heute und für uns. Solange die Gesetze des Staates nicht offensichtlich unseren christlichen Geboten widersprechen, haben wir uns an diese zu halten, egal, ob wir diese nun für sonderlich gerecht und angebracht oder auch nicht halten.

Umfassend dargelegt ist dieses auch in den :arrow: „Grundlagen der Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche“ und da in den Teilen III, IV und V (entspr. S.8-37 im PDF). :book:

Mehr dazu auch in dem Video von Erzpriester Johannes R. Nothhaas :arrow: Der Christ und der Staat. Von ihm stammt auch ein in der :arrow: Orthodoxen Bibliothek verfügbares Faltblatt, aus dem ich abschließend kurz zitieren möchte und in welchem übrigens auch noch mal auf Röm 13 eingegangen wird:
Das politische Leben ist in den vom christlichen Glauben geprägten Alltag eingebettet und zugleich eingeschränkt. Die Christen handeln nach der Anweisung des Herrn in der Zinsgroschenfrage: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist“ (Mk 12,17).

Die Forderung: „Gebt Gott, was Gottes ist“ steht nicht gleichwertig neben der Weisung: “Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“, sondern sie lässt diese hinter sich und unter sich. Denn Gott ist alles. – Die verfänglich gestellte Frage nach der Kaisersteuer sollte Jesus in eine Falle locken. Stimmt Er der Kaisersteuer zu, verrät Er sozusagen den jüdischen Glauben an die Gottesherrschaft. Lehnt Er sie ab, kann man Ihn als Rebell gegen den Kaiser anklagen.
Der Herr durchschaut die Taktik seiner Gegner und antwortet mit dem bekannten Satz souverän und ohne Ironie. Indem er sich von seinen Gegnern eine Münze mit dem Kaiserbild geben lässt, zeigt er ihnen, dass sie durch den Gebrauch der Münzen faktisch schon die Fremdherrschaft anerkannt haben. Die Pharisäer hofften auf die Aufhebung der römischen Fremdherrschaft durch Gott, wie die Bitte im 18-Bittengebet zeigt: „Sei du König über uns allein“. Wenn sich diese Hoffnung erfüllte, würde die Kaisersteuer enden. –
Jesus sieht diese Hoffnung auf Gottes Herrschaft unabhängig von den politischen Gegebenheiten erfüllt. Sie besteht neben der römischen Fremdherrschaft, und es kommt auf den Menschen an, ob und wie er sie wahrnimmt. Wenn Gott alle staatliche Gewalt eingesetzt hat, dann gehört Ihm und Seiner Herrschaft der Vorrang. Dann gehört Ihm das Herz und dem Kaiser als Seinem Vollstrecker die Kaisersteuer. Deshalb kann Er beide anerkennen und ihnen zukommen lassen, was ihnen gebührt. Die Weisung zur Zahlung der Kaisersteuer enthält trotz ihrer äußeren friedlichen Form einen theologischen Sprengstoff. Wenn es Gott ist, der auch der heidnischen Fremdherrschaft eine gewisse Berechtigung zukommen lässt, dann wird dadurch der Anspruch Israels, das erwählte Volk zu sein, durch das allein Gott seine Herrschaft aufrichtet, relativiert. Wer anders könnte eine solche Umwertung der Werte vornehmen als nur der Messias. Damit wird deutlich, dass die Christen in zwei Herrschaftsbereichen leben. Der eine ist die „Mitbürgerschaft im Himmel“ ( Phil 3,20 ). Sie schließt ein den Glauben an Gott als die höchste Autorität. Nichts kann und darf Ihm vorgezogen werden. Gott und Sein Reich sind das Ziel des Menschen in Zeit und Ewigkeit. Infolgedessen ist der andere Herrschaftsbereich, in den der Christ gestellt ist, der Staat, zweitrangig. Er ist vergänglich und dient alle in dem geordneten Zusammenlebender Menschen miteinander. Betrachtet man den Wandel de des Christen in den zwei Bereichen mit dem Maßstab der zehn Gebote, dann könnte man sagen :

Die Mitbürgerschaft im Himmel lebt der Christ, indem er die drei Gebote der ersten Tafel ( die sich alle auf Gott beziehen ) als Grundlage für das Einhalten der Gebote der zweiten Tafel betrachtet. Mit dieser Gesinnung anerkennt der Christ dann auch die ethischen Verpflichtungen seiner Staatsbürgerschaft.

Die Meinung, dass Röm 13,1-7 gegenüber modernen totalitären Regimen nicht mehr verbindlich sein könne, steht im Widerstreit mit dem Glauben, dass Gott auch der Herr über die Ihm feindlichen Mächte ist. Diese Anweisung des Apostels hat apostolische Gültigkeit, obwohl Paulus und mit ihm die Kirche erfahren hatte, dass durch den Staat den Christen Unrecht widerfuhr, ja, dass es dieser Staat war, der den Herrn ans Kreuz geschlagen hatte. Mit dem durch Gottes Gebot eingeschränkten Gehorsam gegenüber der staatlichen Macht würdigt der Christ nicht nur die Macht Gottes in und hinter der Geschichte, sondern gibt auch ein Zeugnis für das Ziel Gottes jenseits der Geschichte.
In Christo
Igor
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Als der Höchste hernieder fuhr, verwirrte Er die Sprachen, zerteilte Er die Völker, nun, da Er Feuerzungen ausgeteilt, ruft Er alle zur Einheit: Einmütig preisen wir deshalb den Heiligen Geist. (Pfingstkondakion im 8. Ton)
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Mirjanin
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Re: Kirche und Staat

Beitrag von Mirjanin »

Danke Igor für die ausführliche Antwort. Wenn das so ist, sehe ich für mich ein schwerwiegendes logisches Problem, dass mich geradewegs in eine tiefe Glaubenskrise (bzgl. Kirche heute) stürzt: Denn wenn A wahr ist, kann B nicht auch wahr sein. Es sei denn, man hält Wahrheit für 'relativ', was IMO mit dem Christentum völlig unvereinbar ist. Es stellt sich mir also die Frage, warum der Eindruck erweckt wird, B sei ebenfalls wahr.

Apropros: Bin ich der Einzige, für den im Text so ein Hauch von Determinismus weht?
Was sie nicht verstehen können, ist das wir keine politische Partei bekämpfen, sondern die Mörder der spirituellen Kultur.
Lazzaro
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Re: Kirche und Staat

Beitrag von Lazzaro »

@ Mirjanin:
Die Bibel gebietet uns, für unsere Feinde und für den Staat zu beten. Wir können davon ausgehen, daß in der längsten Zeit der Weltgeschichte zwischen Beiden kaum ein Unterschied gemacht wurde.
So würde ich versuchen, diesen scheinbaren Wiederspruch zu erklären.
Lazarus

PS: Was sagt denn der Philemonbrief? Trotz der grundsätzlichen Anerkennung der Sklaverei enthält er immer noch genügend Sprengstoff. Gesellschaftliche Abhängigkeit gibt es ja nach wie vor.
Zuletzt geändert von Lazzaro am 14.10.2012, 20:06, insgesamt 1-mal geändert.
Lazzaro
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Re: Kirche und Staat

Beitrag von Lazzaro »

Igor zitierte Vater Johannes beitrag über den Staat:
Die Mitbürgerschaft im Himmel lebt der Christ, indem er die drei Gebote der ersten Tafel ( die sich alle auf Gott beziehen ) als Grundlage für das Einhalten der Gebote der zweiten Tafel betrachtet. Mit dieser Gesinnung anerkennt der Christ dann auch die ethischen Verpflichtungen seiner Staatsbürgerschaft.
Das selbe habe ich auch in meinem Beitrag "Vaterlandsliebe hier und dort." ( viewtopic.php?f=7&t=2969 ) sagen wollen. Wir sind uns theoretisch einig.
ABER:
In der Praxis wird dieser Unterschied (besoders im mosk. Patriatrchat) nicht gemacht. Da vermischt sich die Liebe zum Staat mit der Liebe zum Reich Gottes.
Lazarus
Stefan
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Re: Kirche und Staat

Beitrag von Stefan »

Mirjanin hat geschrieben:Danke Igor für die ausführliche Antwort. Wenn das so ist, sehe ich für mich ein schwerwiegendes logisches Problem, dass mich geradewegs in eine tiefe Glaubenskrise (bzgl. Kirche heute) stürzt: Denn wenn A wahr ist, kann B nicht auch wahr sein. Es sei denn, man hält Wahrheit für 'relativ', was IMO mit dem Christentum völlig unvereinbar ist. Es stellt sich mir also die Frage, warum der Eindruck erweckt wird, B sei ebenfalls wahr.
Lieber Mirjanin, dieses logische Problem sehe ich auch. Deinen im Posting vorher genannten Zitaten und der "Erkenntnis" kann ich voll zustimmen. Florianklaus zitierte ja bereits eingangs den Vers aus der Apostelgeschichte, dass man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen. An genau diesem Punkt hört die Untertanspflicht meiner Meinung nach auf. Bezogen auf dein monetäres Beispiel hieße dies: Ja, der Staat ist dann ein Räuber. Aber widerspricht es Gottes Wort, wenn man diese (völlig überzogenen, einem Raub gleichkommenden) Steuern zahlt? Nein. Also zahlt man. Anderes Beispiel: In Salzkotten wurden in der Vergangenheit mehrfach die baptistischen Eltern von Kindern in Erzwingungshaft genommen, die ihre Kinder nicht in das Aufklärungs-Theaterstück http://www.meinkoerpergehoertmir.de/stueck.html und in eine Vorstellung des Kinderfilms "Krabat", der einen okkultistischen Hintergund hat, geschickt haben. Hätten sie ihre Kinder an diesen Tagen in die Schule schicken sollen? Anders: Widerspricht der Inhalt Gottes Wort? Kann man sicher so auffassen. Also haben sie sich meiner Meinung nach richtig entschieden. Sicherlich waren sie im gleichen Dilemma, zwischen Gehorsam ggü. dem Staat und Gehorsam ggü. Gott, was wir eben hier diskutieren. Von der Gesellschaft werden sie verlacht. Besonders schlimm finde ich an diesem Beispiel, dass es sich um eine katholische Schule handelte. Da erwarte ich auch von der Schulleitung mehr Verständnis für solche Gewissensentscheidungen.
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