Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

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Nassos
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Re: Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

Beitrag von Nassos »

Wir beschäftigen uns mit der Satisfaktionlehre, weil sie eins der wesentlichen Elemente des Katholizismus ist. In ihr ist das Gottesverständnis des Westens erhalten und weist einen der größten Unterschiede auf im Vergleich zur Orthodoxie.

Irenäus, welcome back, es ist eine große Freude, Dich wieder hier zu haben!
stefan1800
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Re: Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

Beitrag von stefan1800 »

Es geht hierbei nicht um "Loskauf" oder um irgendeine Juristerei.
Es geht schlicht und einfach darum, wie der Mensch vor Gott bestehen kann. Hierbei hat Luther die christliche Antwort gegeben: Die Menschennatur ist derart verdorben, daß dies eigentlich gar nicht der Fall ist, sondern nur durch Gnade geschehen kann. Und diese kann nur durch Annahme der Gnade durch den einzelnen Menschen fließen.
Irenäus
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Re: Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

Beitrag von Irenäus »

Xpistos anesti!

Hallo Nassos!



Nur kurz hierzu:
stefan1800 hat geschrieben:Hierbei hat Luther die christliche Antwort gegeben: Die Menschennatur ist derart verdorben, daß dies eigentlich gar nicht der Fall ist, sondern nur durch Gnade geschehen kann.
Luther möchte ich hier bis auf weiteres lieber rauslassen. Er ist zwar ein gutes Beispiel dafür, was letztlich durch die Satisfaktionslehre rausgekommen ist, aber das ist wesentlich zu früh und würde von der Hauptlinie "Orthodoxe und röm. Lehre von der Erlösung im Vergleich" wegführen. Bei ihm haben sich ohnehin auf sehr unschöne Art und Weise eine überspitzter Augustinismus mit der hier zu besprechenden Sache gepaart. Er wurde am zornigen Gott irre und gab dann eine Antwort, die ihm subjektiv befriedigend erschien. Die totale und absolute Verworfenheit, weil der böse Gott zürnt, ist nämlich genau das Grundübel, so dass sich die eifrigsten Verteidiger der Satisfaktion, sich m. M. nach auch gegenwärtig im (konservativen oder "fundamentalistischen") Protestantismus finden, um ihre Inversion dieser Lehre, die auch ins Extreme geht, zu rechtfertigen. Auch sind sind seine Positionen, die er zur Frage der Willensfreiheit und anderen Fragen in diesem Zusammenhang einnimmt, in keiner Weise orthodox christlich.

Der Loskauf hat auch nichts mit Juristerei zu tun. Er ist ein sehr bildlicher, anschaulicher, lebensnaher Begriff, der von Anfang an allegorisch gebraucht und verstanden wurde. Das "Lösegeld", das Gott der Herr, in seiner großen Barmherzigkeit, für die Tilgung unserer Schuld "bezahlt" hat.
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stefan1800
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Re: Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

Beitrag von stefan1800 »

@Irenäus:
Das stimmt so leider nicht ganz ! Denn daß die menschliche Natur total verdorben ist, hat Luther die praktische, tägliche Erfahrung gelehrt. Und uns heute auch, wenn Ihr es genau nehmt.
Irenäus
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Re: Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

Beitrag von Irenäus »

Xpistos anesti!

Das stimmt schon genau so. Luthers Eindruck war, wie du hier ja selbst schreibst, ein (subjektiver) Eindruck, seine Erfahrung. Manche teilen diese Ansicht, andere nicht. Eine orthodoxe oder auch altchristliche, zutreffende Ansicht, ist sie allerdings nicht.
In der orthodoxen Theologie spricht man von "Verfinsterung" oder "Verdunkelung", aber nicht von einer vollständigen Verderbnis. Die Gottebenbildlichkeit wurde dem Menschen nicht entzogen, auch nicht die Willensfreiheit ausgelöscht; andernfalls wäre der Mensch kein Mensch mehr, sondern nur noch ein vernunftloses Tier. Seine Natur und Kraft blieben aber bestehen; seine Vollkommenheit wurde verdunkelt und die ursprüngliche "Leidenschaftslosigkeit" war nicht mehr gegeben.
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stefan1800
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Re: Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

Beitrag von stefan1800 »

@Irenäus:
Luthers Fehler war nicht seine Rechtfertigungslehre, sondern daß er daraus nicht die Konsequenz zog, die Verteilung der Gnadenmittel durch die Kirche, d.h. die Sakramente, wieder stärker zu betonen. Alles andere liefe somindest teilweise in Richtung einer Selbsterlösungslehre. Gerade bei den Jesuiten sind ja einige vom Semipelagianismus nicht ganz frei.
Ich denke außerdem, daß die Frage nach dem "gnädigen Gott" sich im Westen schon viele gestellt haben, nicht nur Luther allein. Die Orthodoxie mag das anders sehen. Daß die menschliche Natur verdorben ist, lehr die paraktische Erfahrung jeden Tag jeden einzelnen von uns ! Ich denke daher, daß man hier nicht mehr von einem reinen Subjektivismus Luthers sprechen kann.
Irenäus
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Re: Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

Beitrag von Irenäus »

Xpistos anesti!
stefan1800 hat geschrieben:Daß die menschliche Natur verdorben ist, lehr die paraktische Erfahrung jeden Tag jeden einzelnen von uns !
Irgendeine "praktische Erfahrung" hat die Orthodoxie dbzgl. noch gar nichts gelehrt und mich persönlich auch nicht. Dagegen spricht auch, dass man zu solchen Ansichten, erst nach eingehender Reflexion kommt (wie z. B. der sl. Augustinus, von dem Luther - und das kann man angesichts seines "Ordens" und der allgemeinen Verbreitung im Westen auch nicht bestreiten - ziemlich beeinflusst war).
stefan1800 hat geschrieben:Luthers Fehler war nicht seine Rechtfertigungslehre, sondern daß er daraus nicht die Konsequenz zog, die Verteilung der Gnadenmittel durch die Kirche, d.h. die Sakramente, wieder stärker zu betonen. Alles andere liefe somindest teilweise in Richtung einer Selbsterlösungslehre.
Nun, das kann - und sieht man auch - anders, was "seine Rechtfertigungslehre" betrifft. Dieser überspitzte Augustinismus, die totale Verwerfung der menschlichen Natur, hat nichts Rechtgläubiges, wie gesagt. Und das ganz abgesehen davon, dass daraus, dass der Mensch nicht quasi zum Vieh wurde, durch die Erbsünde - wie das im "klassischen" Protestantismus ein gewisser "common sense" zu sein scheint -, sondern Mensch blieb, nur ohne seine "übernatürliche Ausstattung", kann der Mensch diese auch nicht selbst herstellen.
stefan1800 hat geschrieben:Ich denke daher, daß man hier nicht mehr von einem reinen Subjektivismus Luthers sprechen kann.
Du bist natürlich auch frei, die Sache "Intersubjektivismus" zu nennen, das wäre ja schließlich auch "modern", aber objektiv wird es dadurch ebenso nicht. Das manche, gerade auch theolog. "Bewanderte" speziell im Westen, zu diesen Ansichten neigen bzw. Luthers Ansicht teilen (die er auch nicht, in diesem Sinne, "selbst erfunden" hat), bestreite ich ja nicht, aber dass das tatsächlich notwendig jeder objektiv erkennt bzw. erkennen muss, der klar im Kopf ist, das sehr wohl, denn das ist auch - schon rein empirisch betrachtet - nicht der Fall.


So, ich würde jetzt bitten, diese Luther-Diskussion hier einzustellen und ggf. einen eigenen Thread zu eröffnen. Danke.
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stefan1800
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Re: Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

Beitrag von stefan1800 »

@Irenäus:
Wer also nicht Deine Auffassung bezüglich der Rechtfertigungslehre vertritt, ist "nicht ganz klar im Kopf". Alles klar !
Ich sage dazu nichts mehr, sondern werde mich in Demut üben !
holzi
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Re: Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

Beitrag von holzi »

Irenäus hat geschrieben:[...] Dieser überspitzte Augustinismus, die totale Verwerfung der menschlichen Natur, hat nichts Rechtgläubiges, wie gesagt. Und das ganz abgesehen davon, dass daraus, dass der Mensch nicht quasi zum Vieh wurde, durch die Erbsünde - wie das im "klassischen" Protestantismus ein gewisser "common sense" zu sein scheint -, sondern Mensch blieb, nur ohne seine "übernatürliche Ausstattung", kann der Mensch diese auch nicht selbst herstellen. [...]
Bevor wir jetzt den armen Augustinus zu sehr schlagen sollten wir nicht vergessen, dass seine pointierten Ausführungen als Replik gegen die Pelagianer geschrieben wurden. Diese behaupteten, der Mensch sei - wenn er sich nur genug anstrengte - durchaus in der Lage, aus sich selbst heraus sündenfrei zu leben und bedürfte daher nicht unbedingt der Erlösung durch Christus. Daß nun Luther und vor allem Johannes Calvin dies irgendwie in den falschen Hals bekamen, darf man dem Hl. Augustinus nicht anlasten.
Das Christentum nimmt den Menschen, wie er ist, und macht ihn zu dem, was er sein soll. (Adolph Kolping 1813-1865)
Irenäus
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Re: Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

Beitrag von Irenäus »

Xpistos anesti!
holzi hat geschrieben:
Irenäus hat geschrieben:[...] Dieser überspitzte Augustinismus, die totale Verwerfung der menschlichen Natur, hat nichts Rechtgläubiges, wie gesagt. Und das ganz abgesehen davon, dass daraus, dass der Mensch nicht quasi zum Vieh wurde, durch die Erbsünde - wie das im "klassischen" Protestantismus ein gewisser "common sense" zu sein scheint -, sondern Mensch blieb, nur ohne seine "übernatürliche Ausstattung", kann der Mensch diese auch nicht selbst herstellen. [...]
Bevor wir jetzt den armen Augustinus zu sehr schlagen sollten wir nicht vergessen, dass seine pointierten Ausführungen als Replik gegen die Pelagianer geschrieben wurden. Diese behaupteten, der Mensch sei - wenn er sich nur genug anstrengte - durchaus in der Lage, aus sich selbst heraus sündenfrei zu leben und bedürfte daher nicht unbedingt der Erlösung durch Christus. Daß nun Luther und vor allem Johannes Calvin dies irgendwie in den falschen Hals bekamen, darf man dem Hl. Augustinus nicht anlasten.
Deswegen habe ich auch von einem "überspitzten" Augustinismus geschrieben. Gewisse, spätere Lehren, die der sl. Augustinus gegen die Pelagianer vertreten hat, werden ja, in dieser Form - so weit es mir bekannt ist - nicht einmal von der Röm.-kath. Kirche anerkannt. Auch andere Dinge nicht, wie z. B., dass die Konkupiszenz, die Geschlechtslust, die Ursache oder unumgängliche Bedingung für die Fortpflanzung der Erbsünde sei (sl. Augustinus in: "De nuptiis et concup. I 23, 25; 24, 27), wird nicht anerkannt. D. h. natürlich nicht, dass er ein Häretiker o. ä. sei, im Gegenteil, das Frühwerk und auch oftmals noch das Spätwerk, wird geschätzt, aber die Überpointierungen, im Kampf gegen den häretischen Pelagianismus - die selbst Grundlage für Häresien wurden -, werden abgelehnt.
Ich persönlich neige nicht zu der Ansicht mancher "Extremisten", die tatsächlich meinen, er sei ein Häretiker gewesen und kein Heiliger (meistens wird er als "selig" angesprochen, deswegen behalte ich diesen "Brauch" bei, aber natürlich gibt es diese Unterscheidung von "heilig" und "selig" in der Orthodoxie eigentlich nicht und in manchen alten Dokumenten, wird er auch in griech. Sprache als "der Heilige Augustinus" bezeichnet). Dabei lassen sie sich wohl von der böswilligen Ablehnung der Feinde der Kirche im Westen und der liberalen Christen leiten, als von altem, kirchlichem Geist.
stefan1800 hat geschrieben:Wer also nicht Deine Auffassung bezüglich der Rechtfertigungslehre vertritt, ist "nicht ganz klar im Kopf". Alles klar !
Verzeih, so, wie du das verstehst, war es nicht gemeint. Mit "nicht klar im Kopf" war die Täuschung gemeint, die einen zu gewissen Schlüssen verleiten kann, nicht, dass diejenigen irgendwie geistig minderbemittelt seien o. ä. m.

Trotzdem und gerade das, halte ich natürlich aber von dieser protestantischen Ansicht, der totalen Verderbnis des Menschen bzw. der menschlichen Natur: Eine Übertreibung und eine Täuschung, vor allem, wenn sie so allgemein vorgebracht wird. D. h. aber nicht, dass irgendjemand dumm oder verrückt sei.
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Re: Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

Beitrag von stefan1800 »

@Holzi:
@Irenäus:
Richtig, man muß hierbei aber noch zwischen Luther und Calvin unterscheiden. Calvin war zu konsequent und hat mit seiner Prädestination das Kind komplett mit dem Bade ausgeschüttet. Daß der Semipelagianismus ein Problem ist, sah nicht nur Augustinus so. Auch die Gnadenlehre des Thomas von Aquin geht in diese Richtung. Meines Wissens gibt es auch in der russischen Theologie des 17. und 18. Jahrhunderts Strömungen, die etwas Richtung Luther tendieren. In der römischen Kirche war immer umstritten, ob bezüglich der Rechtfertigungslehre eher die sogenannten Thomisten oder die sogenannten Molinisten, die Richtung Semipelagianismus tendierten, recht haben. Die Päpste des 16. und 17. Jahrhunderts haben dies dann so stehen lassen, weil sie die römische Kirche nicht spalten wollten. Außerdem sagte ich ja bereits, daß man die Gnade sehr stark betonen kann, dann aber auch die sakramentale Kirche sehen muß.
Irenäus
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Re: Satisfaktionslehre u. a. im Lichte der Orthodoxie

Beitrag von Irenäus »

stefan1800 hat geschrieben:Meines Wissens gibt es auch in der russischen Theologie des 17. und 18. Jahrhunderts Strömungen, die etwas Richtung Luther tendieren.
Es gab mit und nach Zar Peter - dem Unerleuchteten ... - diverse Einflüsse in Russland, die von dem von dir Genannten, bis zum Thomismus und jesuitischen Lehren reichten. Deswegen waren diese Einflüsse noch lange nicht orthodox.

So, und jetzt bitte für Luther einen eigenen Thread oder was weiß ich, aber nicht mehr hier. Danke.
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