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Re: Papst Franziskus aus orthodoxer Sicht

Verfasst: 18.02.2017, 21:48
von Sascha
PascalBlaise hat geschrieben:@Lazzaro: Volle Zustimmung!
Übrigens denke ich nicht, dass es euer Selbstverständnis ist, eine "eigenständige und authentische Konfession" zu sein, wie du schreibst, sondern die eine Kirche.
Da hast du Recht, aber ich denke, diese Formulierung würde den Konflikt eher verschärfen :D

Ich selbst habe viel mit Katholiken zu tun, und die meisten Reduzieren die Orthodoxie tatsächlich auf den Ritus. Da kommen dann so Sprüche wie: "Ihr könnt ja Orthodox sein und den Papst anerkennen. In Niederaltaich feiern sie die Messe (sic) ja auch Orthodox"

Wenn man dann versucht zu erklären, dass die Orthodoxie nicht eine äußerliche Sache ist, sondern dass es um Inhalte geht, wird auch das wieder nur auf den Papst reduziert. Daher meide ich persönlich dieses Thema mittlerweile. Gibt aber natürlich auch viele Vernünftige Lateiner.

Re: Papst Franziskus aus orthodoxer Sicht

Verfasst: 18.02.2017, 23:43
von Thuja
Wenn man dann versucht zu erklären, dass die Orthodoxie nicht eine äußerliche Sache ist, sondern dass es um Inhalte geht, wird auch das wieder nur auf den Papst reduziert.
Das ist auch meiner Erfahrung nach tatsächlich das Hauptproblem, und wenn die röm.-Katholiken dann unser Gebetbuch sich ansehen und im Glaubensbekenntnis "katholische" Kirche lesen, meinen sie automatisch, sie hätten ja Recht und wir sind die "doofen und verstockten" Christen...
Diese Erklärungen immer wieder empfinde ich auch als sehr mühsam...

Liebe Grüße
Thuja

Re: Papst Franziskus aus orthodoxer Sicht

Verfasst: 19.02.2017, 19:14
von Hetairos
In Anbetracht der abnehmenden Zahl von Christen in Deutschland bin ich nur zu gern bereit, die Unterschiede zwischen den Konfessionen zu erklären. Wie ich oben schon schrieb, ist ja selbst ein Katholik zwischen Oder und Elbe ein Exot; weshalb ich froh bin, überhaupt mit jemandem über den Glauben reden zu können. Zugleich ist die orthodoxe Sicht auf "Probleme" der Katholen (wie man in Preußen sagt) vielleicht auch erhellend, wird beispielsweise doch die Dichotomie bei dem Thema "amoris laetitia" von uns gar nicht so wahr genommen und erscheint in einem ganz neuen Licht.
Im Zusammenhang mit dem Streit um Papst Franziskus habe ich übrigens einen sehr interessanten und m.E. differenzierten Artikel gefunden. Guckst Du hier: http://papsttreuerblog.de/2017/02/18/ma ... etan-habe/.
Allen philychthonen eine appetitliche Woche und den anderen natürlich auch zur kommenden Fastenzeit.
Hetairos

Re: Papst Franziskus aus orthodoxer Sicht

Verfasst: 19.02.2017, 21:17
von Lazzaro
Nachtrag:
Eben habe ich das Zitat gefunden, nach dem ich gestern verzweifelt suchte. Es beschreibt den Unterschied zwischen hellenischer und römischer Betrachtung der Religion aus neopaganer Sicht. Ein Unterschied, der trotz der Annahme des Christentumes beider Kulturkreise weiter bestehen zu scheint:
incipesapereaude.wordpress.com schreibt:
Aber der Römer ist in seiner Religion eher an der Praxis, am „Handeln“ orientiert, als sich – wie die Griechen – ausgiebig mit dem „Sein“ der Götter, d.h. den Hintergründen, Familienverhältnissen, Intrigen, Geschwisterrivalitäten, Affären und Verfeindungen der Götter untereinander zu befassen. Dagegen sind die Persönlichkeiten, das Wesen der Götter sowie ihre Verhältnisse zueinander für den griechischen Kultisten deutlich interessanter und neben der Praxis ist für sie dieser „theoretische“ Hintergrund und die Mythologie von großer Wichtigkeit.
...
Damit ist einer der Hauptunterschiede zwischen römischer und griechischer Betrachtungsweise der Götter die Gegenüberstellung von „Handeln“ und „Sein„.
Quelle: https://incipesapereaude.wordpress.com/cultus-deorum/

Bei mir sind die beiden Abschnitte seinerzeit wie eine Bombe eingeschlagen und ich verstand schlagartig einiges mehr.
Lazarus

Re: Papst Franziskus aus orthodoxer Sicht

Verfasst: 11.05.2017, 22:22
von H. Bauer
Christian hat geschrieben:Der neue Bischof von Rom begeht denselben Fehler wie seine Vorgänger, indem er von einem Primat des (römischen) Papstes ausgeht. Dieses/dieser Primat ist eine kirchliche Abweichung, weil hier durch die Umdeutung des Ehrenvorranges aus dem Vorrang der Liebe ein Vorrang der Macht entstand. Auch Franziskus sieht sich als Statthalter Christi auf Erden und beansprucht egoistisch und monarchistisch die Kirchengewalt über die gesamte christliche Welt. Das Oberhaupt der Kirche ist aber nur Jesus Christus, unser Herr, der sprach: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" und "Wenn einer ein Erster sein will, muss er der Letzte von allen sein". Bei dem Felsen, auf den der Herr seine Kirche baut, handelt es sich auch weniger um die Person des Petrus, sondern vorrangig um das Bekenntnis des Petrus: "Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes". So diskutierte Petrus auch die Themen des apostolischen Konzils in Jerusalem als Gleicher unter Gleichen. Und selbst wenn die Person Petrus der Fels sein sollte, dann wäre der Bischof von Antiochia der Nachfolger des Petrus - biblisch belegt. Aber dieser Bischof beansprucht dieses Recht nicht, weil es keines gibt. MMn verwaltet sich jede lokale Kirche selbst, weswegen es kein Recht gibt, in die inneren Angelegenheiten derselben einzugreifen - wie es vom römischen Bischof weltweit geschieht. Der Hl. Markus von Ephesos erklärte im 15. Jh.: "Wir sähen den Papst als einen Patriarchen an, wenn er orthodox wäre". LG Christian
Ich unterschreibe. Es ist war.

ich möchte nur ergänzen: die Primat des (römisches) Papstes gibt es nur seit 1049, von 2 Konzil von Reims

https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_IX.

https://de.wikipedia.org/wiki/Konzil_zu_Reims

Re: Papst Franziskus aus orthodoxer Sicht

Verfasst: 13.05.2017, 13:13
von Loeckchen
Wow, vielen Dank für diese tolle Diskussion und eure Beiträge - ihr habt mich mit dem Thema gerade sehr gefesselt!

Re: Papst Franziskus aus orthodoxer Sicht

Verfasst: 12.10.2017, 09:56
von FranzSales
Bei mir sind die beiden Abschnitte seinerzeit wie eine Bombe eingeschlagen und ich verstand schlagartig einiges mehr.
Lazarus
Das Zitat habe ich erst jetzt gesehen. Das ist ja hochinteressant. Gibt es da ggfs. noch weitergehende Literatur, die sich mit der unterschiedlichen geistes- und theologiegeschichtlichen Entwicklung der beiden Kirchen vor diesem Hintergrund beschäftigt?
Wenn es so ist, dann erklärt es in der Tat vieles.