Im Strang "Heiraten innerhalb der eigenen Verwandtschaft" schrieb Vater Alexej:
Da haben Sie Recht, Vater Alexej, ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit. Was das von Ihnen zitierte Buch angeht, hat mir das Kapitel "Die Ehe" einige Fragen beantwortet, die mich immer ein wenig beschäftigt hatten. Auch wenn es vorrangig um Kirchenrecht geht, ist das Buch meiner Meinung nach sehr aufschlussreich in Bezug auf das Mysterium der Ehe.Priester Alexej hat geschrieben:In der Orthodoxen Bibliothek gibt es sehr viele interessante Bücher
Ich war in letzter Zeit öfter bei Trauungen in der evangelischen Kirche anwesend. Was mir dabei auffiel, war, dass das Verständnis über die Ehe doch sehr verschieden zum orthodoxen zu sein scheint bzw. ganz andere Schwerpunkte gesetzt werden. Die Ehe wird dort hauptsächlich als eine Bestätigung der Liebe zwischen Menschen angesehen, was durch ein gegenseitiges Versprechen vor Gott besiegelt werden soll. Dabei wird vor allem die irdische Dimension dieses Bündnisses hervorgehoben, also stets für den anderen Partner Verantwortung zu übernehmen, Barmherzigkeit zu üben, verzeihen zu können usw. Daher wird bei sehr vielen evangelischen Trauungen beim Eheversprechen der Zusatz "Bis dass der Tod euch scheidet" als eine Bekräftigung der Eheabsicht verwendet. Viele Brautpaare wünschen sich genau deshalb diesen Zusatz, um damit ihre lebenslange beabsichtigte Treue zu betonen. Ich bin aber der Meinung, dass dies sogar eine Einschränkung ist. Denn auch der Tod löst doch nicht die Ehe und all die aus ihr resultierenden Verpflichtungen automatisch auf.
Über das ewige geistliche Band, welches durch die Ehe entsteht und welches eine nie versiegende Quelle der Kraft für eine christliche Ehe bedeutet, die auch nicht durch den Tod endet, wird in der evangelischen Kirche anscheinend wenig oder überhaupt nicht gesprochen. Außerdem wird der Eindruck vermittelt, als wäre die Liebe zwischen zwei Menschen die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass überhaupt die Ehe geschlossen werden könnte. Die Ehe resultiert nach diesem Verständnis aus der vorausgegangenen Liebe und nicht umgekehrt.
Sicher, in den meisten Fällen mag heutzutage die Liebe der primär wahrnehmbare Auslöser für das Ehevorhaben sein. Ich finde es auch gut und erstrebenswert, dass aus einer Liebe der baldige Wunsch nach einer verbindlichen Ehe erwächst. Und auch klar ist, dass es ohne Liebe keine Ehe geben kann. Aber ist die Liebe der "Urheber" der Ehe?
Nach orthodoxem Verständnis ist die Ehe der Wille Gottes. Und nur durch diesen Willen entsteht doch überhaupt die Liebe. Früher war es nicht selten, dass Ehen "ohne vorher empfundener Liebe" geschlossen wurden, bei denen sich aber mit der Eheschließung der Wille Gottes erfüllt hat und eine starke und beständige Liebe hervortrat.
Ich schreibe dies auch, weil ich heute auf eine Erzählung von Puschkin gestoßen bin, die vielleicht genau das eben Angesprochene sehr treffend verdeutlicht. Die Frage darüber, wie gläubig Puschkin war oder auch nicht war und welche Rolle der (orthodoxe) Glaube in seinen Werken spielt, möchte ich jetzt mal außen vor lassen. Denn unabhängig davon finde ich die kurze Erzählung "Der Schneesturm" von Puschkin auch aus orthodoxer Sicht sehr lesenswert. Die vorausgegangene, zwar äußerlich wahrnehmbare Liebe zwischen Marja und Wladimir war eben nicht Vorsehung. Vielmehr erübrigte sich letztendlich diese doch noch recht kindliche Liebe und ermöglichte die (vorher)bestimmte Ehe, aus der dann die wahrhafte Liebe entspringt.