PascalBlaise hat geschrieben:
Aber wenn Lukasz als Außenstehender solche Vorwürfe erhebt, hat das nochmal einen ganz anderen Charakter. Das tut einfach überhaupt nicht Not. Es hat mich geärgert, gerade weil manches davon tatsächlich nicht so falsch ist. Schisma ist Unsinn, aber natürlich gibt es eine Krise. Aber es ist noch lange nicht gesagt, wie die Sache ausgeht! Es gab schon Schlimmeres, wir geben doch nicht einfach auf!
Lieber PascalBlaise, Drea und Mary
erstmal sei von meiner Seite folgendes gesagt: Es geht mir nicht darum, die weltweite Römisch-Katholische Kirche oder ganz allgemein den Katholizismus in den Dreck zu ziehen. Auch war es nicht meine Absicht dich PascalBlaise als Katholiken zu verärgern. Man muss aber die Probleme beim Namen nennen, denn die katholische Glaubenskrise schön zu reden bringt wirklich nichts. Ich benutzte auch nicht ohne Grund Worte wie "Mehrheit" und nicht "alle". Es gibt natürlich noch viele Katholiken, katholische Gemeinschaften und katholische Geistliche, die sich ernsthaft bemühen, der katholischen Lehre in einem so - von der Mentalität her - dem Katholizismus feindlich-gesinnten Land wie Deutschland die Treue zu halten. Aber es ist eben nur eine Minderheit und nicht die Mehrheit - dem wirst du wohl kaum widersprechen wollen. Und Drea stimmt mir da in den meisten Punkten auch zu. Und davon, dass gläubige Katholiken deswegen aufgeben und den Kopf in den Sand stecken sollten, habe ich auch nichts gesagt.
Was das Thema angeht: ich als so genannter "Außenstehender" (da ich ja orthodox und nicht katholisch bin) habe eigentlich kein Recht die katholische Kirche in der Tiefe so zu kritisieren, da möchte ich darauf hinweisen, dass ich offiziell erst seit Dezember 2015 orthodoxer Christ bin - davor habe ich mich ca. 3 Jahre mit dem orthodoxen Glauben beschäftigt. Mitte Dezember 2015 habe ich dann endlich ernst gemacht und ich wurde, zusammen mit einem anderen deutschen Taufbewerber, in der Russisch-Orthodoxen Kirche ganz traditionell getauft und gefirmt (ich bin jetzt 34 Jahre alt). Ich komme ursprünglich aus Polen und war auch mal katholisch getauft worden. Aufgrund meiner weiteren persönlichen Lebensgeschichte als auch auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin, war (sowohl in meinen Augen als auch in den Augen des orthodoxen Priesters, der mich dann später getauft und gefirmt hat) eine orthodoxe Taufe und Firmung absolut notwendig, damit ich Mitglied der Russisch-Orthodoxen Kirche werden kann (auf die genauen Gründe werde ich nicht eingehen, da diese privat sind).
Des Weiteren kenne ich die deutsche katholische Kirche und die polnisch katholische Kirche von "Innen" recht gut. Damit meine ich nicht nur katholische Gottesdienste in den jeweiligen Landessprachen, sondern auch was "intern" in den beiden katholischen Kirchen abläuft. In meiner ansonsten durchgehend katholischen Verwandtschaft gab es immer sehr viele Berufungen: wir hatten katholische Priester, Nonnen und sogar einen Bischof (der bereits verstorben ist). Aktuell ist der Bruder eines meiner Onkel katholischer Priester und Mönch im polnischen Dominikaner-Orden. Er gehört so einer Art "Missionsabteilung" im Dominikaner-Orden an. Er war viele Jahre in Weißrussland tätig (um dort die polnisch-katholischen Diaspora-Gemeinden geistlich zu unterstützen) und war anschließend in Deutschland an verschiedenen Orten "stationiert".
Meine Einschätzung der Katholischen Kirche in Deutschland wird von ihm fast völlig geteilt. Er sieht es genauso, nur zieht er etwas andere Konsequenzen daraus als ich. Von ihm weiß ich auch, dass die polnischen katholischen Bischöfe eine sehr negative Meinung über die Situation der katholischen Kirche in Deutschland haben. Ganz zu schweigen davon, dass polnische Bischöfe und Priester in diversen katholischen Medien und im Fernsehen in Polen keinen Hehl daraus machen, was sie vom deutschen Katholizismus halten: er sei viel zu liberal, nicht romtreu, halte sich nicht ans geltende Kirchenrecht, evangelisch/protestantisch unterwandert und laufe nur dem aktuellen Zeitgeist hinterher. Daher auch mein Vergleich "unterschiedlich wie Tag und Nacht" als ich in meinem ersten Beitrag zu diesem Thema die katholische Kirche in Deutschland und Polen miteinander verglichen habe.
Auch ich selbst habe früher, als ich noch nicht orthodox war, ähnliches erlebt. Wenn du in eine polnische Pfarrei kommst, dann merkst du, dass du in einer katholischen Gemeinde bist - es geht an erste Stelle um die Vermittlung des Glaubens und nicht um sozial-caritative Aktivitäten wie in Deutschland. Die katholische Kirche in Polen sieht ihr "Kerngeschäft" in der Glaubensvermittlung, Katechesen, der Missionsarbeit und sieht sich als eine Art "Glaubenshüterin". Caritative Einrichtungen betreibt sie zwar auch, aber nicht in dem Umfang wie in Deutschland - dies ist vor allem die Aufgabe der katholischen Laien. In Deutschland hingegen betrachtet sich die katholische Kirche an erster Stelle als eine Art soziales Dienstleistungsunternehmen. Glaubensvermittlung, Katechesen und Missionsarbeit scheint sie bereits genauso aufgegeben zu haben wie die Evangelische Kirche Deutschland (EKD).
Ein weiteres Beispiel möchte ich hier noch nennen: Vor 5 Jahren war ich mal in Bayern unterwegs und wurde dort von Bekannten in ihre katholische Gemeinde zum Grillfest eingeladen. Es waren viele Leute da, auch ein paar katholische Priester und Ordensmänner aus der näheren Umgebung. Ein katholischer Priester, den ich von Anfang an gemocht habe, gehörte noch zu "alten Schule". Er war bereits ein alter Mann, in seiner schwarzen Priesterbekleidung und einem Rosenkranz, denn er langsam durch seine Finger glitten ließ, wirkte er auf die anderen deutschen Katholiken wie so ein Außerirdischer von einem anderem Planeten - in Polen oder Italien wäre das nichts außergewöhnliches gewesen. Du konntest richtig die Freude in seinen Augen sehen, wenn du ihn zu irgendwelchen Fragen des Glaubens befragt hast - ich war die einzige Person auf dem gesamten Grillfest, die bereit war mit ihm über sowas zu reden und das ohne irgendwelche falsche Scham, weil man sich grade (auf einem katholischen Grillfest!) über den christlichen Glauben austauscht. Da ging er total auf. Man merkte richtig, wie wichtig ihm der christliche Glaube ist. Erst als wir beide später dann auf die aktuelle Glaubenskrise der katholischen Kirche in Deutschland (war grade die Zeit der Priesterskandale wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Geistliche), wurde sein Blick richtig bitter. Dass all die Priesterskandale aufgeflogen sind, hat ihn nicht gestört, die Wahrheit müsse ans Licht, sondern dass der Glaube den meisten deutschen Katholiken schon fast nichts mehr bedeutet - dass ist es was ihn über die Jahre so verbittert gemacht hat.
Seine sehr viel jüngeren deutschen Priesterkollegen waren hingegen diese Gespräche fast schon unangenehm (damit meine ich die Glaubensgespräche; über den Kindesmissbrauch durch katholische Priester habe ich mit dem alten Priester nur unter vier Augen gesprochen), dass konnte man ihnen richtig anmerken. Sie konnten damit irgendwie nichts anfangen, auch sein Rosenkranz empfanden sie als störend. Sie meinten, dass könnte Außenstehende vom katholischen Glauben abschrecken. Auch die schwarze Priesterbekleidung trauten sie sich nicht in der Öffentlichkeit zu tragen (habe ich schon erwähnt, dass ich da auf einem katholischen Grillfest in einer katholischen Kirchengemeinde war?). Als Ich die anderen Priester darauf ansprach, würgten sie die Diskussion gleich ab. Ich (als Laie) rede nur deshalb gern über solche "Themen" (den Glauben), weil ich ja ein "Pole" bin (eigentlich bin ich deutscher Spätaussiedler/Heimatvertriebener; ein Schlesier, aber mein polnischer Familienname reichte denen wohl). Diese Priester meinten, dass "in Deutschland mit so einem offensiv nach außen erkennbaren Katholizismus" kein Gläubiger zu gewinnen sei. Darauf kam von meiner Seite nur spöttisch die Bemerkung, "wenn es zwischen euch (diesen Priestern) und der Lebensweise der Nicht-Katholiken keinen erkennbaren Unterschied mehr gibt, warum sollte dann überhaupt irgendein Mensch freiwillig katholisch werden, wenn ihr das nicht mit gutem Beispiel vorlebt?" Und damit war die Diskussion zwischen uns, mir und dem alten Priester, auf der einen Seite und den jüngeren deutschen Priestern auf der anderen Seite beendet.
Auch als wir wegen irgendeinem Thema, kann mich nicht mehr erinnern welches das war, auf den Katechismus der Katholischen Kirche (das große dicke Buch) zu sprechen kamen, haben insbesondere zwei Priesteramtskandidaten, die beim Gespräch dabei waren, offen ihre Ablehnung für dieses Buch gezeigt. Später gegen Ende des Abends erzählte ein Ordenspriester sogar, der sich aufs Kirchenrecht spezialisiert hat, ganz offen, vor allen anderen, dass er eine Freundin habe, mit der er sich regelmäßig "trifft". Und keinen hat es dort gestört! Kein anderer Priester hat irgendwas dagegen gesagt. Das einzige was kam, war höchsten, dass der Zölibat ohnehin ein rückständige Kirchentradition sei, die abgeschafft gehört. Ich dachte, ich kipp gleich vom Stuhl. Warum nennen sich solche Leute noch Katholiken? Wenn Atheisten oder Protestanten sich so kritisch über die katholische Kirche äußern, dann ist das halt deren Meinung und man hat das zu akzeptieren, aber auf einem katholischen Grillfest in einer katholischen Gemeinde in Bayern?! Ernsthaft!? Ich dachte, ich wäre irgendwie im falschen Film gelandet.
Das Ende der Veranstaltung hat mir dann auch noch so ein älteres Ehepaar versüßt, sie gehörten dieser "Wir-sind-Kirche"-Bewegung an. Sie erzählten mir beim gemeinsamen Abendessen, wie rückständig die katholische Kirche ist, das Frauen endlich Priester werden müssen, dass das Zölibat abgeschafft gehört, dass Schwule etc. auch katholisch heiraten dürfen sollten und so weiter. Dann würde es angeblich mit der katholischen Kirche in Deutschland wieder aufwärts gehen, wenn all diese Reformen durchgesetzt werden würden. Als ich mir das alles angehört habe, wusste ich nicht ob ich lachen oder ob mir vor lauter Wut der Kragen platzen sollte, so sagte ich nur spöttisch: "Sehen sie, in der Evangelischen Kirche (EKD) ist das alles, was sie fordern, ohnehin schon durchgesetzt und trotzdem treten aus der Evangelischen Kirche jedes Jahr mehr Menschen aus als aus der Katholischen Kirche. Warum werden Sie dann nicht einfach evangelisch und treten in deren Kirche ein, wenn Sie alles an der Katholischen Kirche so schlimm und rückständig finden?" Da waren die ganz sprachlos. Ich hab dann anschließend den Appetit verloren, bin einfach gegangen, hab mich von meinen Bekannten verabschiedet, bin schlafen gegangen und bin am nächsten Tag wieder nach Hause gefahren.