Nachdem heute das Diskussionsniveau des hiesigen Forums auf FB so gerühmt wurde
wollte ich nach langer Zeit mal wieder hier reinschauen und möchte ein paar Anmerkungen zu dem obigen Beitrag über Christenverfolgungen machen.
So sehr Du in Deinen Ausführungen in der Grundproblematik Recht hast, lieber Danilo, scheint mir doch auch vieles zu kurz gegriffen zu sein. Ich denke, wenn man die aktuelle Verfolgung und die Leiden der Christen z.B. in Indonesien und den Ländern des Nahen Ostens in einem Atemzug nennt oder gar gleichsetzt mit der "geistigen" Auseinandersetzung in der wir uns hier in Westeuropa und Nordamerika befinden, unterschätzen wir ungemein, was physische Verfolgung bedeuten kann und werden den Leiden dieser Menschen kaum gerecht.
Zunächst möchte ich etwas sagen zu Christenverfolgungen im allgemeinen. Wenn von Christen hier im Westen in unseren Tagen immer wieder geklagt wird, dass man uns ungerecht, unsachlich, verleumderisch behandelt; unseren Glauben und unsere Absicht böswillig entstellt, in den Medien und anderswo, klingt mir oft so ein beleidigter, vorwurfsvoller Unterton mit, nach dem Motto: "wie kann man nur ... wir haben doch die besten Absichten und wollen nur das Gute für die Menschen - eigentlich schuldet uns die Gesellschaft Anerkennung".
Wir vergessen, so scheint mir, nur allzu leicht, dass uns nicht zugesagt ist, dass wir in dieser Welt anerkannt werden und zu Ruhm und Ehre gelangen. Wenn ich mich recht erinnere, hat Christus von Schmähung, Verleumdung, Ungerechtigkeiten und Verfolgung um seines Namens willen als Grundkonstituens christlicher Existenz gesprochen. Warum beklagen wir uns dann?
Ich erspare mir hier eine Menge passender Schriftzitate anzuführen.
Meine zweite Anmerkung zielt darauf, dass wir Christen vor allem hier im Westen, aber zunehmend auch in vormals sogenannten "christlich geprägten Ländern" des Ostens und des Südens mittlerweile gerne in die selbstgestellten Fallen eigener Klischees und Idealvorstellungen tappen.
Wir sollten zur Kenntnis nehmen: eine christliche geprägte Gesellschaft, wie es sie in den nachkonstantinischen Reichen des Ostens wie des Westens bis zum Beginn der Neuzeit gegeben hat, gibt es nicht mehr, wird es nicht mehr geben und es ließe sich wohl auch trefflich darüber diskutieren, ob das überhaupt wünschenswert ist. - "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" -
Die Menschen der modernen (westlich geprägten) Gesellschaft fühlen sich von christlichen (kirchlichen) Anmutungen in ihren Kreisen, in ihrem "freien" individualistischen und hedonistischen Lebensgefühl erheblich gestört. Wer nicht das "gottgefällige Geschenk" der Homosexualität bereit ist gesellschaftlich und auch in kirchlicher Praxis zu akzeptieren, wer nicht bereit ist, jedem xbeliebigen Ruf nach "zeitgemässen Reformen" in der Kirche, die doch der sogenannte "gesunde Menschenverstand" gebiete und die doch nur helfen könnten, die Kirche "auf die Höhe der Zeit zu bringen, zu folgen, wird entschieden bekämpft. Das gilt für die deutsche Gesellschaft meines Erachtens in besonderem Maße, vor allem in den Medien, in allen gesellschaftlich relevanten Gruppen und zum Teil leider auch innerkirchlich (zumindest bei den katholischen und protestantischen Brüdern und Schwestern); in anderen Ländern des christlichen Kulturkreises mag das noch nicht so dramatisch sein.
Besonders deutlich wurden mir diese Denk- und Verhaltensmuster vor einiger Zeit in meiner Tätigkeit der religiösen Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen. In Gesprächen, die ich in letzter Zeit mit zahlreichen Lehrern führen konnte, wurde klar, dass Eltern heute in zunehmendem Maße Schulveranstaltungen mit religiös-kirchlichem Charakter boykottieren, bzw. ihren Kindern dezidiert verbieten, daran teilzunehmen. Dies scheint mir für unsere (deutsche) Gesellschaft symptomatisch zu sein!
Es gibt deutliche und immer stärker werdende Bestrebungen den Einfluss der Kirchen und letztlich auch des christlichen Glaubens zu marginalisieren, wenn nicht zu neutralisieren. Religion wird zur Privatsache stilisiert, die Bedeutung der Religion für das "Wohl der staatlichen Gemeinschaft" wird negiert.
Die Kirchen stehen dem Umgang mit diesen Bestrebungen offensichtlich ziemlich hilflos gegenüber und scheinen sich mit dem Verlust an Einfluss und Bedeutung nurmehr schwer abfinden zu können. Ich hebe hier natürlich vor allem auf die katholische Kirche und die Protestanten ab, die ja immer schon überzeugt waren, in weltlich-gesellschaftlichem Bereich involviert sein zu müssen. Die Orthodoxie in Deutschland betrifft das kaum, denn leider (oder Gott sei Dank) wird hierzulande die Orthodoxe Kirche in gesellschaftlichem und medialem Kontext wenig wahrgenommen.
Was also die gesellschaftliche Relevanz von Glaube und Religion betrifft, könnte das in diesem Jahr anstehende Gedenken der sogenannten "Mailänder Toleranzvereinbarung" die öffentliche Diskussion vielleicht hilfreich befruchten. Man könnte fragen, bedarf das Zeugnis für Christus und das Reich Gottes eines kirchlichen Engagements in Staat und Gesellschaft? Was würde passieren, wenn die Kirche auf staatliche Privilegien und Unterstützung verzichtete? Was würde passieren, wenn die Kirche (und sei es nur aus finanziellen Gründen) sich aus dem staatlichen karitativen und bildungsmäßigen Bereich zurückzöge, Kindergärten und Schulen schlösse oder nur noch für praktizierende Christen öffnete; wenn Zuschüsse, die aus Mitteln der Gläubigen kämen auch nur noch für Kirchenmitglieder verwendet würden?
Schon die alten Mönchsväter sind seinerzeit in die Wüste geflohen, weil ihnen das christliche Zeugnis seit der Symbiose von Kirche und Staat nach Konstantin nicht mehr radikal genug erschien.
Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sagen, dass die Kirche an ihrem Dilemma nicht ganz unschuldig ist. Ich halte die Behauptung "die Kirche werde in den Medien immer ausgegrenzt" für nicht zutreffend. Was würden die Medien denn machen, wenn es die Kirche nicht gäbe? Worüber sollten sie denn noch berichten? Es gäbe nur so sehr wenig, worüber sich die Gemüter öffentlich vergleichsweise erhitzen könnten. Die Medien sähen ohne die Kirche doch ziemlich alt aus
Man darf allerdings fragen, ob die Kirchen den Medien immer solche Steilvorlagen liefern muss, wie sie es oft tut und ich spreche dabei nicht von den Missbrauchsskandalen oder ähnlichem, deren krimineller Charakter nicht in Frage steht. Auch bei geringerem Anlass bietet die Kirche oft eine breite Angriffsfläche und zeigt wenig Souveränität im Umgang mit ihren Kritikern.
Dass die Kirche sich öffentlicher und auch medialer Kritik stellen muss, solange sie gesellschaftliche Akzeptanz und staatliche Förderung erwartet und glaubt, diese in Anspruch nehmen zu müssen, darf ebenso wenig in Frage stehen. Die Frage lautet eben eher: muss sie das tun und wo sind die Grenzen, bei deren Überschreitung sie ihrem göttlichen Auftrag untreu wird?
Was bleibt also zu tun? Was ist der Auftrag der Kirche, des einzelnen Christen in dieser Zeit?
Nun, was er immer war: Das Martyrium!
Das Martyrium im umfassenden Sinn des Wortes: Zeugnis zu geben! Im Gegensatz zu allen anderen Religionen ist das Christentum eine Religion der Zeugenschaft, ein Glaube, der Zeugnis gibt von der Person des Gottmenschen Jesus Christus und seiner Botschaft der Umkehr.
Der kategorische Imperativ für den Christenmenschen lautet nicht: Jammert über die Ungerechtigkeiten dieser Welt, sondern:
Gehet hin in alle Welt und verkündet die Frohe Botschaft vom Reich Gottes, "sei es gelegen oder ungelegen".
Dass dies möglich ist, dass es Hoffnung gibt, auch im Bereich von Öffentlichkeit und Medien zeigen uns z.B. Journalisten vom Format eines Matthias Matussek, dem man nicht in allen seinen Äußerungen zustimmen muss, der aber mutig und nicht ohne Humor für seinen Glauben und die Kirche eintritt.
Oder die Geschichte eines Freundes, eines jungen Studenten, der sich seit seiner Schulzeit immer stolz als einen Agnostiker präsentierte und gerne über Gläubige jedweder Provenienz seine Witze machte: durch ein, man könnte fast sagen "Damaskuserlebnis", bei einem Besuch in Auschwitz im vergangenen Jahr fand er wieder dazu, sich mit seinen jüdischen Wurzeln auseinanderzusetzen und ist im Moment dabei, sich in "den Glauben seiner Väter" wieder einzufinden.
Also halten wir uns an den Herrn: "Geh' hin und tu' desgleichen !