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Verfasst: 07.10.2007, 22:29
von Mary
protopeter hat geschrieben:Ob daraus allerdings jemals wirklich ein echter Dialog werden kann, wage ich mehr als zu bezweifeln... :!:
Guten Abend,

darf ich Sie fragen, worauf ihre Zweifel gründen? Ist dies aufgrund des Verlaufs der bisherigen Treffen, oder eher aufgrund von scheinbar unüberbrückbaren Gegensätzen?

Herzlichen Dank für ihre Mühe
Johanna

Verfasst: 10.10.2007, 22:26
von protopeter
Liebe Johanna !

Meine Zweifel an tatsächlich greifbaren Resultaten solcher Begegnungen verbindet sich mit der zu diesen Gelegenheiten grundsätzlich wahrzunehmenden gängigen Praxis eines "Kompromißökumenismus" - auch wenn vielleicht die Arbeit dieser gemeinsamen Kommission diesbezüglich etwas seriöser zu Werke geht. Eine jegliche Konsultation zeitigt ja - früher oder später - gewisse Folgen, die besonders bei sogenannten "ökumenischen Großereignissen" wie etwa dem Besuch Benedikts XVI. beim Ökumenischen Patriarchat Ende November 2006 dann ins Licht der breiten Öffentlichkeit gebracht werden.

Bei solchen Gelegenheiten wird dann gewöhnlicherweise die Verpflichtung zur sofortigen Herstellung der Einheit zwischen Orthodoxer Kirche und römischem Katholizismus angemahnt. Dabei vergißt man allerdings gerne, daß der Weg hierzu noch äußerst lange und beschwerlich ist - wir unterscheiden uns eben von der Papstkirche nicht nur dadurch, daß wir das Petrusamt anders interpretieren, unsere Priester meist verheiratet sind und die von unserer Kirche gepflogenen gottesdienstlichen Gebräuche feierlicher als bei den Bekenntnissen abendländischer Prägung erscheinen.

Die weiterreichenden thelogischen und weltanschaulichen Unterschiede mögen beiderseits nicht unbedingt allzeit bewußt sein, spielen aber doch eine wesentliche Rolle; wer eben einen wirklichen Dialog beabsichtigt, muß sich dieser Tatsachen auch gewärtig sein. Dabei mag dann eben auch die Frage nach der authentisch-apostolischen Überlieferung und ihrer unverfälschten Bewahrung als zentrales Kriterium kirchlicher Existenz diskutiert werden; es ist allerdings auch klar, daß sich die heterodoxen Bekenntnisse - und hierzu zählt eben nach orthodoxer Auffassung auch der römische Katholizismus - dieser Konfrontation nur äußerst ungern stellen werden.

Mit all dem möchte ich nur eine Sache zum Ausdruck bringen: Die von Ihnen apostrophierten "scheinbar unüberbrückbaren Gegensätze" sind in der einen oder anderen Nuancierung als gegebene Tatsachen vorhanden - und es wäre mehr als unseriös, als Lösung all dessen einen am Verhandlungstisch ausgearbeiteten Kompromißvorschlag zu verkünden. Ein pseudohumanistisch geprägter Ökumenismus, der in erster Linie darauf ausgerichtet ist, kirchlicher "Einheit" auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners das Wort zu reden, kann keinesfalls erstrebenswert sein. Vor allem geht es auch darum, im Sinne des Herrenwortes bei Jo 8,32 dem Zeugnis der Wahrheit - und nicht kirchendiplomatischen Winkelzügen - entsprechenden Raum zu geben.

Mit Segenswünschen grüßt
Erzpr. Peter

Verfasst: 11.10.2007, 09:00
von Mary
Lieber Vater Peter,

ich danke Ihnen für den Segen und die ausführliche Antwort. Ja, diese Bedenken kann ich verstehen und teilen.
Die Gegensätze gehen weit tiefer als allgemein bewusst ist. Je länger ich mich mit der Orthodoxie beschäftige, (und das ist zugegebenermassen noch nicht wirklich lang :? ) umso mehr ahne ich, dass es bei diesen Gegensätzen weder um äusserliche Formen geht, noch um reine Theologie, sondern um einen Weg, sein Leben vor Gott zu leben, der tatsächlich sehr verschieden ist von dem, was ich bisher kannte.

Auch ich erwarte keine Lösungen von Gesprächen am Verhandlungstisch. Es kann garnicht angehen, dass einige wenige für alle reden und entscheiden können. (soviel hab ich immerhin schon begriffen vom "orthodoxen Empfinden", nicht wahr? Uns Römern könnte man eher "etwas von oben" aufzwingen ;) )

Ich setze dennoch grosse Hoffnungen in solche Gespräche. Wenn Dialog heisst: Wir setzen uns an einen Tisch, wir bitten Gott, uns beizustehen, wir reden miteinander und versuchen, die je andere Position zu verstehen - was nicht heisst, dass wir sie teilen müssen - , wir gehen in brüderlicher Liebe miteinander um als Kinder und unnütze Knechte des EINEN Gottes, dann kann Grosses geschehen. Nicht von jetzt auf gleich, das ist wahr. Vielleicht aber geht jeder Teilnehmer verändert aus so einer Runde weg, nachdenklicher, aufmerksamer, hörender und schauender...

Ich bin ganz sicher, dass Einheit unter allen Christen nicht von Menschen gemacht werden kann. Nur der Herr kann SEINE Leute wieder zur Einheit führen, und wie diese Einheit aussehen könnte, das weiss auch nur ER. Unser Teil ist es, Tränen der Reue und der Umkehr zu weinen, uns zu öffnen für das, was unser Himmlischer König möchte, damit SEIN Reich immer mehr kommen kann.

Ich fürchte, ich hab mich mit diesen Worten weit aus dem Fenster gelehnt, es ist mir ganz fern, Sie, Vater, belehren zu wollen. Es ist aber dies, was ich im Herzen weiss.
Papst Benedikt XVI hat uns gebeten, das gegenwärtige Treffen in Ravenna in unseren Gebeten zu begleiten; vermutlich haben das die orthodoxen Patriarchen auch getan... Mein Wunsch ist es, dass viele Gläubige sich diesem Gebet anschliessen, hüben und drüben, denn auch unsere Herzen werden so verwandelt und ich glaube fest daran, dass wir das UNMÖGLICHE von Gott erhoffen dürfen.

In der Liebe Christi
Johanna

Verfasst: 11.10.2007, 12:44
von protopeter
Liebe Johanna !

Zum guten Beginn sei Ihnen für Ihre Stellungnahme herzlich gedankt; Ihr Verständnis "orthodoxen Empfindens" und der damit verbundenen Gegebenheiten umfaßt genau jene Aspekte, die man im Allgemeinen zu marginalisieren geneigt ist, deren Bedeutung jedoch nicht in Abrede gestellt werden sollte.

Sie erwähnen einen enorm wichtigen "Faktor" bei all den genannten Bemühungen: Gottes Beistand zur Erreichung der Einheit und damit vor allem Seine Gnade, dies - einzig unter der Überwindung menschlicher Schwächen - erreichen zu können. Zweifellos sind diesbezüglich die drei Grundtugenden von Glaube, Hoffnung und Liebe als eine wesentliche Richtschnur auf diesem Weg von unschätzbarer Bedeutung.

Orthodoxie (rechte Lehre und Gottesverehrung) erweist sich in ihrer Fülle erst durch ihre "Zwillingsschwester", der Orthopraxie (aus dem Glauben gespeister Lebensvollzug); dazu sind wir alle, die sich zu dieser unseren Kirche bekennen, gerufen. In diesem Sinne denke ich aber auch, daß es von großer Bedeutung sein muß, dafür ein deutliches Zeugnis vor der Welt ablegen zu können; dieses Zeugnis sollte jedoch nach Möglichkeit ein klares Bild unseres Glaubens widerspiegeln - auch wenn Standpunkte der Orthodoxen Kirche aus bestimmten Gründen unangepaßt und unbequem erscheinen mögen.

Herzliche Grüße und Segenswünsche sendet
Erzpr. Peter

Verfasst: 11.10.2007, 15:05
von holzi
Es kracht (wieder einmal) zwischen dem zweiten und dem dritten Rom.
Gerade gelesen: http://www.oecumene.radiovaticana.org/T ... p?c=160323
Italien: Russische Delegation verlässt Gespräche

Die Delegation des Moskauer Patriarchats hat die 10. Vollversammlung der Internationalen Theologischen Dialogkommission von katholischer Kirche und orthodoxen Kirchen in Ravenna verlassen. Das meldet die Nachrichtenagentur Apic. Als Grund hätten Moskaus Vertreterdie Anwesenheit der Delegation der Apostolisch-Estnischen Kirche angegeben. Der russisch-orthodoxe Bischof Hilarion Alfeyev hatte den anderen Delegationen bereits am Dienstag ein ?Ultimatum? gestellt und den Ausschluß der estnischen Delegation von den Gesprächen gefordert. Das orthodoxe Patriarchat von Konstantinopel hatte die Apostolisch-Estnische Kirche 1996 gegründet. Moskau aber erkennt diese Kirche nicht an, sondern betrachtet sie als Teil seines eigenen kanonischen Territoriums. Bischof Alfeyev Hilarion erklärte, seine Delegation sei zur Wiederaufnahme des Dialoges wieder bereit, wenn Konstantnopel seine Position überdenke.

(apic 11.10.2007 so)

Verfasst: 11.10.2007, 19:29
von Mary
lieber Vater Peter,

ich freue mich, dass Sie mit mir übereinstimmen.
protopeter hat geschrieben:Orthodoxie (rechte Lehre und Gottesverehrung) erweist sich in ihrer Fülle erst durch ihre "Zwillingsschwester", der Orthopraxie (aus dem Glauben gespeister Lebensvollzug); dazu sind wir alle, die sich zu dieser unseren Kirche bekennen, gerufen.
Ja, dazu sind alle gerufen, die sich Christen nennen...
protopeter hat geschrieben: In diesem Sinne denke ich aber auch, daß es von großer Bedeutung sein muß, dafür ein deutliches Zeugnis vor der Welt ablegen zu können; dieses Zeugnis sollte jedoch nach Möglichkeit ein klares Bild unseres Glaubens widerspiegeln - auch wenn Standpunkte der Orthodoxen Kirche aus bestimmten Gründen unangepaßt und unbequem erscheinen mögen.
Ich weiss nicht, ob es den Rahmen dieser Diskussion hier sprengt, frage aber trotzdem mal:
Ich glaube, dass nicht nur die Orthodoxen Kirchen, sondern jede Gemeinschaft, die christliche Lehre ins Leben überträgt, unangepasste und unbequeme Standpunkte vertreten muss. In dieser Hinsicht unterscheiden sich wohl Orthodoxe Kirche und Römisch-Katholische Kirche kaum. Hat nicht auch der Patriarch von Moskau vor kurzem sich ähnlich geäussert?

Oder, irre ich mich da?

Habe ich Sie richtig verstanden, dass sie auf Meinungsäusserungen der Kirchen betreffend aktueller Lebensfragen aus Gesellschaft und Politik anspielen, wenn sie von "unbequemen Standpunkten" reden? Oder ging es Ihnen dabei eher um den Lebensvollzug des einzelnen Gläubigen?

Gelobt sei Jesus Christus, unser Herr.

Johanna

Verfasst: 13.10.2007, 17:45
von protopeter
Liebe Johanna !

Mit meiner Bemerkung, daß gewisse authentisch-orthodoxe Standpunkte im Ökumenismus als "unbequem" gelten, wollte ich tatsächlich in erster Linie sowohl auf ekklesiologische als auch auf weltanschaulich-ethische Grundsätze rechtgläubiger Lehre verweisen. Es ist ein Faktum, daß das abendländische Christentum (in unterschiedlicher Weise) von humanistisch-aufklärerischem Gedankengut mit seiner ganz auf den Menschen orientierten Ideologie geprägt wurde und sich daraus mancherlei problematische Folgen ergaben; demgegenüber steht das orthodoxe Prinzip der allumfassenden gottmenschlichen Synergie.

Ein Dialog zwischen Orthodoxer Kirche und heterodoxen Bekenntnissen muß gerade auch dieser Wesensgrundlage des Glaubens, die im weiteren Sinne Gottes-, Menschen-, und Weltbild wesentlich beeinflußt, entsprechend Rechnung tragen. Für uns sollte nun die Frage, ob denn die von nichtorthodoxer Seite vertretenen diesbezüglichen Konzeptionen lediglich auf Interpretationsunterschieden beruhen oder es hier doch tiefergehende Differenzen gibt, von entscheidender Bedeutung sein.

Es geschieht allerdings immer wieder, daß der Orthodoxie - so sie um eines "Kompromisses" willen nicht bereit ist, von den Grundwerten der Tradition abzuweichen - nicht selten der Vorwurf des "Konservativismus" (der in diesem Kontext allerdings mehr als deplaziert erscheint) erwächst. Zweifellos wäre es nicht angebracht, die Heilige Überlieferung mit ihrer überzeitlichen Dynamik als monolithisch-starres Gebilde museal zu konservieren; es muß allerdings auch klar sein, wo absolute Grenzen zu ziehen sind.

Mit Segenswünschen grüßt
Erzpr. Peter

Verfasst: 15.10.2007, 21:36
von Mary
Lieber Vater Peter,
ja, mir wird zunehmend klarer bewusst, welche Hürden im ökumenischen Gespräch und Handeln zu überwinden sind.
Wie sie richtig sagen, ist die römisch katholische Kirche in sich auch nicht einheitlich. Zwar der gemeinsamen Lehre verpflichtet, finden sich darin Strömungen vom starren Fundamentalismus bis hin zu "modernen" Reformwünschen und Beliebigkeit.
Andererseits sehe ich auch, dass die Orthodoxen Kirchen verschiedene innere Schwierigkeiten haben und kaum EIN Vertreter für alle reden kann.
Da bin ich schon geneigt, ihrem anfänglichen statement, dass aus Gesprächen schwerlich greifbare Resultate erwartet werden können, zuzustimmen. Es ist wohl ein weiter Weg, den wir trotzdem im Vertrauen auf Gott gehen sollten...

Der Begriff der "gottmenschlichen Synergie" ist mir nicht geläufig. Können Sie mir das bitte erklären?

Herzlichen Dank
Johanna

Verfasst: 18.10.2007, 17:53
von protopeter
Liebe Johanna !

Mit dem in der orthodoxen Theologie häufig verwendeten Terminus gottmenschliche Synergie bezeichnet man sowohl das Erlösungswirken Jesu Christi als auch die daraus resultierenden Manifestationen gegenüber Mensch und Welt, die auch Heilsökonomie genannt werden.

Nach unserem Verständnis ist die Kirche der Ort, an dem die gottmenschliche Synergie in ihrer umfassendsten Weise erkannt und gelebt wird; im Kontext meiner Ausführungen wollte ich darauf hinweisen, daß dieses Zusammenwirken zwischen Gott und Mensch die einzige Maßgabe sein sollte, nach der sich christliches Leben und Wirken ausrichtet.

In der Liebe Unseres Herrn grüßt herzlich
Erzpr. Peter