Der vollständige Vortrag "Bedrohtes Christentum" steht hier: http://www.orthodoxeurope.org/page/14/98.aspx#2Ehre sei Dir oh Herr hat geschrieben:Einige interessante und durchaus nachdenkenswerte Worte von Bischof Hilarion finden sich hier:
http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php?t=3575&start=40
Damit wird niemandem das Wort geredet, aber es hat durchaus seinen Sinn...
Hier der für unser Thema relevante Abschnitt.
Bischof Hilarion Alfeyev hat geschrieben:Eine weitere Herausforderung für das traditionelle Christentum stellt der islamische Fundamentalismus dar. Die Regeln des der Mehrheit der Europäer eigenen politischen Anstands lassen es nicht zu, von ?islamischer Bedrohung? zu sprechen. Am häufigsten hören wir, dass der Islam ein friedliche Religion sei und nur einzelne Extremisten und Terroristen versuchten, ihn für ihre antihumanen Ziele zu missbrauchen. Im Kontrast zu diesen Gesprächen wird jedoch in Afghanistan für den Übertritt zum Christentum ein Todesurteil verhängt, in Indonesien verbrennen Muslime christliche Kirchen, und im Kosovo geht ? vor den Augen der gesamten Weltgemeinschaft und in Anwesenheit der sogenannten ?friedenschaffenden Kräfte? ? eine systematische und barbarische Zerstörung altehrwürdiger christlicher heiliger Stätten vor sich. Liberale Politiker rufen die Muslime auf, sich in die westliche Gesellschaft zu integrieren, aber viele Muslime bemühen sich überhaupt nicht darum, sondern von einzelnen besonders militanten Imamen kommen Aufrufe, der gesamten westlichen Zivilisation den Dschihad zu erklären und Europa zu erobern.
Wenn man über die Herausforderungen des traditionellen Christentums von Seiten des Christentums selbst spricht, ist meiner Meinung nach die Liberalisierung der dogmatischen, ekklesiologischen und moralischen Lehre in vielen protestantischen Gemeinschaften am schwerwiegendsten. Dieser Prozess führte auf ekklesiologischer Ebene zur Einführung des Frauenpriestertums sowie zu einer ganzen Reihe von anderen vom Standpunkt des traditionellen Christentums inakzeptablen Neuerungen. Im Besonderen führte im Bereich der christlichen Ethik dieser Prozess zur Revision der traditionellen Vorstellungen von Ehe und Familie, von der ehelichen Treue und Keuschheit, zur Anerkennung sogenannter ?homosexueller Ehen? und sogar zur Einführung eines speziellen Rituals der ?Segnung? derartiger Lebensgemeinschaften. In der Lehre führt eben dieser Prozess nicht selten zu einem dogmatischen Relativismus, der eine freie Auslegung vieler grundlegender Wahrheiten des Christentums erlaubt, wie etwa der Lehre von der Heiligen Dreifaltigkeit und von der Auferstehung Christi. Es wird immer schwieriger vom ?Christentum? als von einem einheitlichen System der Glaubenslehre und Moral zu sprechen: Immer offensichtlicher und himmelschreiender wird die tiefe Kluft in den Ansichten zwischen den Christen der Tradition und Christen der liberalen Strömung.
In einer solchen Situation wird die Kräftekonsolidierung jener christlichen Gemeinschaften dringend und unumgänglich, die bereit sind, die traditionelle Version des Christentums gegen alle möglichen liberalen Versionen zu verteidigen. Zu diesen Gemeinschaften gehören vor allem die Katholische und Orthodoxe Kirche sowie die Altorientalischen (vorchalzedonensischen) Kirchen. Ich spreche jetzt nicht über jene ernsten dogmatischen und ekklesiologischen Meinungsverschiedenheiten, die zwischen diesen Kirchen existieren und die im Rahmen von bilateralen Dialogen erörtert werden können und müssen. Ich spreche von der Notwendigkeit einer gewissen strategischen Allianz zwischen diesen Kirchen, eines Paktes oder Vertrages zur Verteidigung des traditionellen Christentums als solchen, einer Verteidigung vor allen sowohl von innen als auch von außen kommenden Herausforderungen der Moderne, sei es der Liberalismus, das Sektenwesen, der islamische Fundamentalismus, der militante Säkularismus oder Relativismus.
Der christliche Konservativismus wird in Europa bis in die Gegenwart fast ausschließlich mit der Katholischen Kirche identifiziert, wogegen die Position der Orthodoxen einen geringen Bekanntheitsgrad hat. Wenn die Katholiken in einer Front aufträten, würde die Stimme der Orthodoxen Kirchen bedeutend hörbarer werden, und die Position der Katholischen Kirche würde eine mächtige zusätzliche Unterstützung erfahren. Wir sollen nicht vergessen, dass in Europa in der Gegenwart etwa 280 Millionen Katholiken und ca. 210 Millionen Orthodoxe leben. Gemeinsam würden sie eine Armee von einer halben Milliarde bilden, die imstande wäre, ihre Werte und Ideale zu verteidigen.
Katholiken und Orthodoxe müssten gemeinsam zur Verteidigung vor allem der traditionellen moralischen Werte wie Familie, Kindersegen und ehelicher Treue antreten. Leider haben wir mit der Mehrheit der Protestanten in diesen Fragen ernsthafte Divergenzen, ganz zu schweigen von den fundamentalen Divergenzen theologischer und ekklesiologischer Art.