ZG10091509 - 15.09.2010
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"WIR BEFAHREN JETZT RUHIGERE GEWÄSSER"
Der serbische Patriarch Irinej I. über den ökumenischen Dialog
Von Michaela Koller
WIEN, 15. September 2010 (ZENIT.org).- Das Oberhaupt der Serbischen Orthodoxen Kirche, Patriarch Irinej I., ist am Dienstag nach einem viertägigen Österreich-Besuch nach Serbien zurück gekehrt. (ZENIT berichtete.) Auf einer Pressekonferenz in Wien zum Abschluss seines Aufenthaltes sprach der 80-jährige Patriarch mit österreichischen, deutschen, polnischen und serbischen Journalisten über die Eindrücke von seinem Österreich-Besuch, über die Einheit der Kirche, das Kosovo und die Serben in Österreich. ZENIT dokumentiert an dieser Stelle Auszüge aus dem Gespräch, die im Zusammenhang mit ökumenischen Fragen stehen.
Frage:
Sie waren jetzt mehrere Tage in Österreich. Was ist das Wichtigste, das Sie jetzt nach Hause mit nehmen?
--Patriarch Irinej: Ich muss sagen, dass ich hier in Österreich sehr warmherzige Zusammentreffen und Gespräche erlebt habe und auf Menschen guten Willens getroffen bin, sowohl seitens des Staates, als auch seitens der Kirche, und es scheint mir, als ob hier ein neuer Wind des Verhältnisses weht und ein gutes Verhältnis zwischen den Menschen entstehen wird. Aus Österreich nehme ich den Eindruck mit, dass unser serbisches Volk, das aufgrund widriger Umstände hier zusammengefunden hat, hier in diesem Staat, in der Republik Österreich sehr gut aufgenommen wurde und so eine gute Brücke bildet, zwischen dem serbischen und dem österreichischen Volk. Und die Zusammentreffen mit Herrn Bundespräsidenten Dr. Fischer und dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl haben sehr schöne Eindrücke mit sich gebracht. Das sind Menschen, die Werte in sich tragen und Respekt haben gegenüber den Menschen. Und einen besonderen Eindruck hat Seine Eminenz, Christoph Kardinal Schönborn, auf mich gemacht. Ich sehe und glaube, dass er voll erfüllt ist mit der Liebe des Evangeliums und daraus Wertvolles für seine Kirche tut, und einen großen Teil seiner Liebe auch unserem serbischen Volk und unserer Kirche angedeihen lässt. Das ist ein schönes und ausgezeichnetes Beispiel, dass Vertrauen und Hoffnung einflößt, dass zwischen unseren Kirchen, die seit langer Zeit getrennt sind, eine gegenseitige Atmosphäre des Vertrauens begründet wird, und dass wir mit dem Wunsch herantreten und dann mit konkreten Schritten, und dass wir aktiv an einer Annäherung arbeiten, und in der Folge an einer Einheit in der näheren oder fernen Zukunft.
Frage:
In der nächsten Woche tagt in Wien die Vollversammlung der Gemischten Internationalen Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen. Bei der letzten Sitzung auf Zypern im vorigen Jahr ging es um „Die Rolle des Bischofs von Rom in der Gemeinschaft der Kirche im ersten Jahrtausend". Wie muss aus Ihrer Sicht das Papstamt verstanden werden, damit es kein Hindernis zur Einheit ist?
--Patriarch Irinej: Wenn die Frage nach der Einheit der Kirche aufkommt, ist der erste Schritt der, das wir das Fundament darauf setzen, was wir alle teilen. Und wir haben sehr viel gemeinsam. Vor einigen Tagen war ich beim Maria-Namen-Fest in der Wiener Stadthalle. So wird die allerheiligste Gottesmutter von beiden Kirchen, von der katholischen wie auch von der orthodoxen verehrt. Und die Gottesmutter kann eines der Fundamente der Gemeinsamkeit sein, auf dem wir zusammen aufbauen können und natürlich weitere Gemeinsamkeiten, um eines Tages die Einheit zu erlangen. Das Ankommen selbst, die Einheit zu erreichen, ist ein langwieriger Prozess, weil wir lange Zeit voneinander getrennt gelebt haben, es war mehr oder weniger eine Abtrennung voneinander. Und so ist es ein sehr, sehr langer Prozess, den wir wünschen müssen, und in Gang setzen müssen, um zu dieser Einheit zu gelangen, was der Wille unseres Herrn Jesus Christus ist.
Was nun die Funktion des römischen Papstes betrifft, so war er in der Zeit vor der Teilung der Kirche an erster Stelle in Ost und in West. Es gibt darin einige dogmatische Fragen, die Probleme schaffen könnten, wenn auch ein kleines. Aber es gibt kein Problem, dass man nicht lösen kann. So wie ein Problem besteht, besteht auch ein guter Wille dieses Problem zu lösen. Für uns Orthodoxe etwa ist die Unfehlbarkeit des Papstes etwas Ungewöhnliches. Das ist zum Beispiel eine der Fragen, über die man sich in einem längeren Gespräch mit gutem Willen einig werden kann, mit der Hilfe Gottes.
Frage:
Welche Rolle sehen Sie für die serbisch-orthodoxe Kirche im Rahmen der Gemischten Internationalen Kommission im Hinblick auf die Verstimmungen zwischen dem Moskauer und dem Ökumenischen Patriarchat?
--Patriarch Irinej: Vor allem die Rolle unserer Kirche, wie auch jeder orthodoxen Kirche, ist es, zu einem gewissen Frieden beizutragen, der uns alle verbindet. Und wenn es zu irgendwelchen Auseinandersetzungen kommen sollte, dass dies immer im Geiste des Evangeliums gelöst wird, dass man auf friedlichem Weg zu einer wahrhaftigen Übereinkunft kommt. Die Kirche ist zwar göttlichen Ursprungs, aber wir Menschen bilden sie, mit unseren guten und schlechten Seiten. Aber wir sollten alles daran setzen, dass die guten Seiten durch uns und über uns wirken und dass das menschliche Element dieser Idee untergeordnet bleibt. In der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft gab es, gibt und wird es natürlich Fragen und Probleme innerhalb der Kirchen geben, wie zum Beispiel zwischen dem Moskauer und dem Ökumenischen Patriarchat. Aber dies ist mehr oder weniger ein menschlicher Aspekt und es besteht der Wunsch, dass dies zum beiderseitigen Wohl gelöst wird. Bestimmte Probleme zwischen beiden Seiten wurden in diesen Tagen diskutiert und werden einer Lösung zugeführt und so befahren wir ruhigere Gewässer, die für unsere Kirchen, für unsere Kirche, notwendig ist. Wenn wir stets in der Liebe Gottes wirken und wirken möchten, kommt es trotzdem zu Konflikten und Missverständnissen. So sollten wir uns stets bemühen, dass der Hauptpunkt Gott ist und wir darauf achten sollten, was uns die göttliche Sendung gibt. Und das wird dann so sein, wie Gott es möchte.
Frage:
Wie stehen die Chancen auf ein gemeinsames Oster- oder Weihnachtsfest?
--Patriarch Irinej: Das ist eine große Hoffnung und nicht nur eine Hoffnung, sondern ein Imperativ unserer Zeit, der christlichen Kirche. Solange jedoch diese Epoche währt, so mögen wir doch in gegenseitiger Liebe und in Freundschaft leben und ein Zeugnis unseres Glaubens geben, sowohl einander als auch sogar gegenüber unseren Feinden. Was nun die gemeinsame Feier anbelangt, so ist das eine Notwendigkeit. Das ist eine Frage des Kalenders und wir überlegen schon seit langer Zeit, und es gab eine Zusammenkunft, wo über die Frage aktiv diskutiert wurde, wobei die Problemstellung darin besteht, dass ein Teil der Orthodoxie noch immer dem julianischen Kalender folgt und der andere dem gregorianischen. Auch der neuere, gregorianische Kalender ist nicht in allem richtig. Wir Serben hatten einen ausgezeichneten Wissenschaftler, Milutin Milankovic, der einen eigenen Kalender vorgeschlagen hat. Dieser liegt sogar den Vereinten Nationen vor. Und wenn es zu einer Erörterung der Kalenderfrage kommen sollte, dann wird dieser Vorschlag von Milankovic auf dem Tisch liegen. Selbstverständlich wäre es schön, wenn wir eines Tages das Osterfest und das Weihnachtsfest zusammen begehen.