Allgemeine Fragen zur Orthodoxie (Dogmen, Zweifel am Selbstverständnis,etc.)

Neu in der orthodoxen Kirche - Wie lebe ich als orthodoxer Christ? Alle allgemeinen Fragen rund um die Orthodoxie.
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Davit-Agmaschenebeli
Beiträge: 1
Registriert: 16.05.2017, 20:07
Religionszugehörigkeit: georgisch-orthodox

Allgemeine Fragen zur Orthodoxie (Dogmen, Zweifel am Selbstverständnis,etc.)

Beitrag von Davit-Agmaschenebeli »

Hallo liebes Orthodoxen forum,

Ich heiße Niklas, bin 18 Jahre alt und bin hier in Deutschland geboren. Meine Eltern kommen aus Georgien was auch meinen Bezug zum orthodoxem Glauben erklärt. Jedes Jahr gehe ich zwei mal zu einer Messe in Straßburg und faste jedes Ostern. Dieses Ostern jedoch hatte ich in der Fastenzeit viele Überlegungen und Fragen die mir unbeantwortet blieben und mich zum Zweifeln brachten.
Ich möchte nicht mehr zu den Christen gehören, die in Wirklichkeit keine Ahnung von deren eigenen Religion haben und nicht wirklich mit dieser Auseinandersetzen.
Ich gebe zu ,dass ich mich schon seit längerer Zeit nicht mehr dem Glauben gewidmet habe, geschweige vieles der Heiligen Schrift, Wörter von Heiligen Kirchenväter, wie das Orthodoxe Glaubensbuch nie gelesen habe. Von nun an möchte ich mich an der Orthodoxie komplett zuwenden um meinem Glauben näher zu kommen. Ich habe jedoch das Gefühl das ich mit dem falschen Ansatz arbeite. Aus diesem Grund, würde gerne ein paar fragen stellen Fundamentale fragen stellen zur Orthodoxie:

1.
Warum ist euer Meinung nach die Orthodoxie der Weg zu Gott? Oder vielleicht noch dazu, wie würdet ihr dies einen Protestanten erklären?
Man möge die Frage vielleicht alleine schon beantworten können aufgrund der Quelle des Glaubens, die Apostolische Sukzession also auch die Beibehaltung der Dogmen dazugehört (soweit ich das verstanden habe). Warum dieses Argument so einen solchen hohen Stellenwert hat ist mir jedoch nicht ganz klar.
Man könnte dies natürlich innerhalb der Dogmatik erklären warum wir dinge tun wie die Göttliche Liturgie, die Beichte, die Heilige Ölung, Salbung, Totenfeiern, das Kreuz, Fasten, etc. Dies ist aber nicht wonach ich suche bzw einen Protestanten z.B überzeugen könnte, weil diese seiner Meinung nach „nicht von der Bibel kommt“. Ein Orthodoxe sagte mir einst: „die Bibel ist nicht Quelle des Glaubens, sondern ist lediglich daraus entstanden
Wer erlaubte uns den Orthodoxen(wie auch Katholiken) jedoch außerhalb der Bibel Dogmen zu erstellen, Heilige auszuerwählen, die ihre eigene Erfahrungen und Wissen über Gott und die Orthodoxie uns mitteilen?

2.
Woher entstanden diese Dogmen bzw. das Orthodoxe Glaubensbuch? Soweit ich weiß wurden diese beschlossen in mehreren Konfessionen wie auch nach dem Schisma weitergeführt.
Wie können diese zu Gott führen wenn sie nicht Ursprünglich von den 12 Jüngern abstammen? Wieso braucht man einen art Wegweiser? Ist die Gefahr so hoch, dass man das Evangelium falsch interpretieren könnte?

3.
Ich habe vor kurzen einen Text folgender Quelle: http://www.impantokratoros.gr/Protestanten.de.aspx gelesen.
Ich Zitiere: „Die erste wesentliche Sache, die einen ausreichenden und ernsthaften Grund dafür bildet, dass jemand christlicher Orthodoxer ist, besteht darin, die Bedeutung der Glaubensquelle zu verstehen. Ein Protestant hat gelernt (und akzeptiert ohne zu hinterfragen), dass die Quelle des christlichen Glaubens angeblich die Heilige Schrift ist und dass außerhalb ihrer nichts anderes zu akzeptieren ist. Er glaubt sogar, dass die Heilige Schrift aus 66 Büchern besteht, ohne dass er jemals eine Erklärung dafür bekommen hätte, aus welchem Grund jene 10 anderen Bücher weggelassen worden sind, welche von der Orthodoxie anerkannt werden
Welche 10 Bücher wurden entnommen genau und aus welchem Grund?

Ich persönlich bevorzuge wie man vielleicht sieht mit dem methodischen Zweifeln zu arbeiten, mit welchen wahrscheinlich ich nicht erfolgreich sein wenn es um das Glauben geht. Schließlich ist der Kern der christlichen Religion ein Selbstverständnis zu besitzen aus der bedingungslosen Liebe Gottes gegenüber den Menschen und der gesamten Schöpfung. Dieses Selbstverständnis jedoch bringt mich zum grübeln. Vieles klingt für mich einfach zu pauschal oder lückenfüllend um nicht auf Widersprüche zukommen, weshalb ich mir mehr Zeit investieren möchte das Orthodoxe Glaubensbuch zulegen z.B . Mir fehlt irgendwie hier das Selbstständige Denken, vielleicht sogar das philosophische Kopfzerbrechen um hiervon überzeugt zu sein. Das zurücklehnen und alles widerstandslos zu akzeptieren was mir die Kirche sagt fällt mir schwer.
4.
Was ist damit sagen will ist, dass ich für mich persönlich eine Gefahr sehe, wenn ich mich der Orthodoxie widme in einer gewisser weise mir selber was eintrichtern werde und will, und dies nur um die Welt so auszumalen wie sie mir gefällt, um einfach eine Zufriedenheit zu besitzen und den Schein zu haben die Welt und den Bezug zu Gott besser gefunden zu haben. Aus diesem Grund überlege ich mir mein Wissen auszubreiten indem ich vielleicht sogar andere Religionen betrachte, völlig offen und ohne jegliche Subjektive Voreingenommenheit, um dann letztendlich Vernünftig zu begründen wieso dies "nicht richtig klingen mag" um damit mein glauben an die Orthodoxie zu verfestigen.

Hoffe ich habe den Text verständlich geschrieben :)
Christian
Beiträge: 86
Registriert: 02.01.2016, 10:35
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Re: Allgemeine Fragen zur Orthodoxie (Dogmen, Zweifel am Selbstverständnis,etc.)

Beitrag von Christian »

Bevor ich hier überhaupt nicht antworte (es bedarf hier fundierter Antworten), möchte ich als Orthpedia-Autor wenigstens auf den Orthpedia-Artikel "Theologie" von Sergej Posadskij verweisen:

http://www.orthpedia.de/index.php/Theologie

Sollte mir mehr einfallen, schreibe ich das auch noch. LG Christian
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Igor
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Re: Allgemeine Fragen zur Orthodoxie (Dogmen, Zweifel am Selbstverständnis,etc.)

Beitrag von Igor »

Grüß Gott, Niklas und willkommen im Forum!

Kurz zu Deinen Fragen, das wird bestimmt noch durch andere Forenmitglieder ergänzt werden:
Davit-Agmaschenebeli hat geschrieben:
1.
Warum ist euer Meinung nach die Orthodoxie der Weg zu Gott? Oder vielleicht noch dazu, wie würdet ihr dies einen Protestanten erklären?
Ziel des irdischen Lebens ist es, Gott sich anzunähern (theosis), also das, was uns von ihm trennt, zu überwinden. In der Orthodoxie lebt der Christ dieses alltäglich (in Theorie und in Praxis) – durch Gebet, Askese, tugendhaftes Leben.
Davit-Agmaschenebeli hat geschrieben:
2.
Woher entstanden diese Dogmen bzw. das Orthodoxe Glaubensbuch? Soweit ich weiß wurden diese beschlossen in mehreren Konfessionen wie auch nach dem Schisma weitergeführt.
Wie können diese zu Gott führen wenn sie nicht Ursprünglich von den 12 Jüngern abstammen? Wieso braucht man einen art Wegweiser? Ist die Gefahr so hoch, dass man das Evangelium falsch interpretieren könnte?
Die orthodoxe Kirche stützt sich auf die heilige Schrift und die heilige Überlieferung. Letztere ist nötig, um erstere zu verstehen und ergänzt diese.

Beispiel: Wenn du von einer fremden Familie ein Fotoalbum mit Fotos der Familiengeschichte vorgelegt bekommst, dann wirst du vieles nur erahnen können. Erst, wenn dir ein Kundiger in dieser Geschichte diese erklärt, ziehst du die richtigen Schlüsse.
Davit-Agmaschenebeli hat geschrieben:
3.
Welche 10 Bücher wurden entnommen genau und aus welchem Grund?
Siehe hier https://de.wikipedia.org/wiki/Bibelkanon
und https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_bib ... %C3%BCcher
Davit-Agmaschenebeli hat geschrieben:
4.
Was ist damit sagen will ist, dass ich für mich persönlich eine Gefahr sehe, wenn ich mich der Orthodoxie widme in einer gewisser weise mir selber was eintrichtern werde und will, und dies nur um die Welt so auszumalen wie sie mir gefällt, um einfach eine Zufriedenheit zu besitzen und den Schein zu haben die Welt und den Bezug zu Gott besser gefunden zu haben. Aus diesem Grund überlege ich mir mein Wissen auszubreiten indem ich vielleicht sogar andere Religionen betrachte, völlig offen und ohne jegliche Subjektive Voreingenommenheit, um dann letztendlich Vernünftig zu begründen wieso dies "nicht richtig klingen mag" um damit mein glauben an die Orthodoxie zu verfestigen.

Hoffe ich habe den Text verständlich geschrieben :)
Ja, es ist wichtig, zu verstehen, was der eigene Glauben beinhaltet und wodurch er sich von anderen unterscheidet.

In Christo
Igor
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Als der Höchste hernieder fuhr, verwirrte Er die Sprachen, zerteilte Er die Völker, nun, da Er Feuerzungen ausgeteilt, ruft Er alle zur Einheit: Einmütig preisen wir deshalb den Heiligen Geist. (Pfingstkondakion im 8. Ton)
Hetairos
Beiträge: 97
Registriert: 07.05.2014, 15:15
Religionszugehörigkeit: orthodox

Re: Allgemeine Fragen zur Orthodoxie (Dogmen, Zweifel am Selbstverständnis,etc.)

Beitrag von Hetairos »

Lieber Davit,
Erst einmal ein Willkommen im Forum.
Von mir aber nur zwei Dinge: Über die Heilige Schrift, die als Hauptargument in den ersten drei Fragen mitschwingt und Punkt 4, in dem ich herausdeute, dass Du die Wahrheit aus Deiner inneren Erkenntnis heraus finden willst und daher ganz objektiv zweifelst - was ich gesund finde.
1. Als sich überall im römischen Reich christliche Gemeinden gründeten, wurden zu den Liturgie allerlei Evangelien verwendet, die noch nicht kanonische festgehalten waren. Erst im vierten Jahrhundert bildete sich der Bibelkanon heraus, wie wir ihn kennen. Dieser Kanon bildete sich aber im Kontext der Kirche heraus, in dem sich die Liturgien - ausgehend von Jerusalem - ähnelten, Asketen in Wüsten lebten, Bischöfe existierten und und und. Vor allem aber gab es schon ein Selbstverständnis, was Kirche ist, was das Wesen christlichen Glaubens ausmacht. Wenn dann Evangelen (das ist das preußische Pendant zu "Katholen") das Argument nach Luther "sola scriptura" - einzig nach der Schrift - anführen, so lassen sie den Kontext außer Acht. Wie schon Igor schrieb, ist die Theosis Ziel unseres Glaubens - also in Gott aufzugehen. Das heißt, das Evangelium und Jesu Worte selbst dahingehend zu verstehen. Somit ist m.E. nach die Bibel kein revolutionäres Werk mit sozialem Auftrag, sondern ein geistiges Buch, das sich an das Innere des Christen ausrichtet. Es reflektiert und Begleitet in der Frage, wer/was Gott ist und was er auch nicht ist und was der Mensch ist - also Du selbst. Der Prozeß, der dadurch im Inneren entsteht, wird durch die Askese, das Fasten, unterstützt.
Punkt vier finde ich noch viel interessanter und zwar aus dem Grunde, weil ich selbst nicht immer orthodox war, sondern erst nach langem Suchen hierhin gelangt bin. Dabei hatte ich immer die gleichen Zweifel, die auch Du hast, und ich finde sie richtig und wichtig. So fand ich den Buddhismus schön aber mir fehlte die Wurzel allen Seins, Gott, im Zentrum dieser Religion. Nur so viel: Wir sind in den letzten zweitausend Jahren nicht die Ersten, noch die Letzten, die durch ihren Zweifel getrieben werden und ich bin mir sicher, dass Du Dich bereits auf einen guten Weg befindest. Wenn Du über die Heiligen und die Zweifler liest, wirst Du das feststellen können und zugleich die Orthodoxie verstehen. Fang doch mit Thomas dem Zweifler an, schau auf YouTube Interviews mit orthodoxen Mönchen an und probiere Dich beim nächsten Fasten aus, was Du für Erfahrungen machst.
Ich hoffe, Dir etwas geholfen zu haben.
In Christo,
Hetairos
Aν πεθάνεις, πριν πεθάνεις, δεν θα πεθάνεις, όταν πεθάνεις!
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