HAllo Sunflower!
Willkommen im Forum.
Das alte Testament gilt generell gesagt als ein prophetisches Buch, das auf Christus hinweist. Das heißt wir sollen die Texte auf Christus hin interpretieren.
Das habe ich heute im Auto gehöhrt:
"Sprach der Herr zu meinem Herrn setzte Dich mir zur Rechten, bis ich Dir lege Deine Feinde als Schemel deiner Füße." (Psalm 109:1; ad-hoc-Übersetztung des lat. Textes)
Es spricht also Gott der Herr zum Herren des Königs David, also: Gott spricht zu Christus, denn nur IC XC sitzt zur Rechten Gottes des Vaters.
Im 6. Vers heißt es dann ganz rabiat: Judicabit in nationibus, implebit ruinas;
conquassabit capita in terra multorum. / Er wird Gericht halten über die Völker, wird die Niederlage vollständig machen,
die Häupter vieler im Lande zerschmettern.
Das beschreibt die Machtfülle Christi sitzend zur Rechten des Vaters, eine Machfülle, die Er benutzen kann, vielleicht irgendwann auch nutzen wird, aber nicht nutzen muß. Das zerschlagen der Schädel ist ein Bild, ein Symbol der Macht Gottes ("... wie Töpfe sollst Du sie zerschmeißen..."Psalm 2). Weil es aber ein Bild der Macht Gottes und nicht der unsrigen ist, dürfen wir die Schädel unserer unliebsamen Mitmenschen eben
nicht wie Tongeschirr zerschlagen. Täten wir es, würden wir uns mit Gott auf eine Stufe stellen.
Das soll mal als Exempel für viele andere Stellen genügen, wie man diese Form der Exegese betreiben kann.
Meiner Meinung gibt es aber noch eine ganz andere Art, die Texte zu Betrachten. Wir orth. Christen lesen die Bibel in der Tradition der Kirche und der Kirchenväter. Das heißt nur die Interpretation gilt als authentisch, die im Ramen der mündlichen, das heißt der nichtbiblischen, liturgischen Tradition bleibt.
Die alttestamentlichen Texte sind vor allem jüdische Texte, und selbstverständlich kommt kein Mensch auf die Idee, die Juden sollten heute noch so viele Menschen töten, wie zur Zeit der Alten Testamentes. Warum nicht? Die Jüdische Religion kennt im Talmud eine Mündliche, das heißt nachbiblische Tradition, wie diese Texte zu interpretieren sind. Der Talmud selbst interpretiert die Stellen so, daß die Menschen mit einander Leben können, ohne sich gegnseitig zu bekriegen.
Mth.10:35 Denn ich bin gekommen, den Menschen zu erregen gegen seinen Vater und die Tochter gegen ihre Mutter und die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter. 36 Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.
Auch das Evangelium bietet Ausreden, Familienstreitigkeiten zu kulivieren.
Bei vielen Diskussionen um das Verhältnis von Heiliger Schrift und ihrem Gewaltversen (andere Religionen mit noch viel besseren Steilvorlagen bieten häufig den Anlaß) plädiere ich immer, den Kontext der mündlichen Überlieferung mit einzubeziehen. Die mündliche Überlieferung des Christentumes sind die Kirchenväter und die gottesdienstlichen Texte. Wir orthodoxe Christen müssen zu ihnen stehen, wie wir zum Evangelium stehen, und wir werden deswegen nicht nur von den Protestanten, sonder inzwischen von einigen katholischen Kreisen belächelt. Das ist aber wesentlich, damit wir nicht durch die Fallstricke "der Welt" fallen. (Die Kirche ist schlecht weil im AT so viele Menschen sterben.) fallen. Das Alte Testament wird durch das Neue Testament interpretiert, und das wird wiederum durch die Kirchenväter interpretiert, die deshalb unsere Väter sind, weil sie den Konsens aller Gläubigen beschreiben. Das ist die Katholizität, russ. Sobornost! der Kirche.
Dazu ist aber eine relativ gute Kenntnis des biblischen und exegetischen Kontextes nötig.
Lazarus
Cantábiles mihi erant justificatiónes tuæ, * in loco peregrinatiónis meæ. - Ps.118:54