Bettler: Geben oder nicht?

Neu in der orthodoxen Kirche - Wie lebe ich als orthodoxer Christ? Alle allgemeinen Fragen rund um die Orthodoxie.
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Mirjanin
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Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von Mirjanin »

(Vorbemerkung: Ich poste hier diesen Thread, weil er m. E. am besten passt. Im Zweifelsfall bitte verschieben)

Ich hatte heute ein Erlebnis und es beschäftigt mich etwas, d.h. ich denke darüber nach, ob ich mich als Christ richtig verhalten habe. Ich ging heute nach Feierabend zu Fuß durch die Stadt. Auf einer Parkbank sah ich einen ärmlich gekleideten Menschen ca. Mitte Vierzig sitzen. Ich hörte, wie er zu sich selbst sprach: "Da kommt jemand im feinen Anzug. Den frag ich mal." und im nächsten Moment sprach er mich an. "Entschuldigung, hätten Sie vielleicht etwas Kleingeld für mich?"

Er drückte sich höflich aus. Ich verneinte und ging weiter. Ich gebe aus Prinzip nichts direkt an Bettler, da ich von den kriminellen Banden dahinter weiß.

Danach kamen mir aber Zweifel. Selbst wenn aus fünf Bettler vier "professionelle" Bettler sind und einer wirklich Hilfe benötigt, wäre es das nicht wert?

Habt ihr entsprechende Erlebnisse gehabt? Wie verhaltet ihr euch in dieser Situation?
Was sie nicht verstehen können, ist das wir keine politische Partei bekämpfen, sondern die Mörder der spirituellen Kultur.
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Aulus
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Re: Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von Aulus »

Zugegeben frage ich mich in diesem Fall immer das Gleiche: was für ein Christ bin ich, wenn ich ihm nichts gebe? Doch es gibt nur so viel Geld, das ich im Jahr leisten kann, und ich würde lieber damit einer vertrauten Organisation spenden, besonders wenn Ihre Nummer (1/5 = 20%) stimmen. Das Rote Kreuz z.B. ist viel effizienter als 20%, und was nicht direkt für die Armen benutzt wird wird wenigstens auch keine Drogen einkaufen, sondern in die Hände guter Typen (RK mitarbeiter) kommen. Noch besser finde ich ist es, der Kirche zu spenden, wenn sie um Geld für jemanden in der Gemeinde bitten.

Aber wenn Du etwas ausgeben willst, nirgendwo ist es fest geschrieben, dass es unbedingt Geld sein muss. Wenn er wirklich etwas zu essen braucht, biete ihm genau das an. Normalerweise findet man Bettler in der Innenstadt, wo man schnell einen Bratwurst oder McDonalds-Menü o.ä. kaufen kann. Oder falls er eine U-Bahnfahrt braucht und in der Station ist, kann man ihm eine Fahrkarte geben. Wenn er ablehnt und nochmals um Geld bittet, weiß man wahrscheinlich warum (Drogen).

Ich persönlich trage immer nur eine Kreditkarte, außer wenn ich im Voraus weiß, ich werde Scheine brauchen, und bringe in dem Fall genauso viel mit. Wenn ich einem Bettler begegne, kann ich ihm ehrlich sagen, ich habe kein Kleingeld für ihn, was ich höflicher als "nein" empfinde.
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Priester Alexej
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Re: Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von Priester Alexej »

Matthew 5:42 "Gib dem, der dich bittet, und weise den nicht ab, der von dir borgen will!"

Didache: http://www-user.uni-bremen.de/~wie/text ... dache.html
5. Jedem, der dich (um etwas) bittet, gib, und fordere es nicht zurück; denn der Vater will, daß allen gegeben wird von seinen eigenen Gnadengaben. Selig, wer gibt nach dem Gebot; denn untadelig ist er. Wehe dem, der nimmt. Denn zwar: wenn jemand aus Mangel nimmt, wird er untadelig sein; wer aber keinen Mangel hat, wird Rechenschaft ablegen müssen, weshalb er genommen hat und wofür. In den Kerker geworfen wird er verhört werden hinsichtlich dessen, was er getan hat, und er wird nicht hinauskommen von dort, bis er den letzten Pfennig zurückerstattet hat.

6. Aber auch darüber ist gesagt worden: "Es soll schwitzen dein Almosen in deinen Händen, bis du weißt, wem du es gibst."
Johannes von Kronstadt - gab allen.
Apostolischer Kanon 39 (32): Priester und Diakonen sollen ohne Wissen und Willen des Bischofs Nichts thun: denn dieser ist's, welchem das Volk des Herrn anvertraut worden, und von welchem Rechenschaft über ihre Seelen gefordert werden wird.
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Aulus
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Re: Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von Aulus »

Alexej hat geschrieben:Johannes von Kronstadt - gab allen.
Lieber Vater,
Zweifellos ist es das Beste, allen zu geben, und Johannes von Kronstadt ist da ein guter Vorbild. Wenn es mit Betteln zu tun hat beschäftige ich mich doch immer mit dem Problem der Drogen, wovon viele Bettler heutzutage abhängig sind. "Wie kann ich den Armen eigentlich helfen, ohne die Süchtigkeit mancher zu unterstützen?" Ich dachte immer, ich hätte die Lösung gefunden, indem ich an Organisationen spende und Bettlern Lebensmittel kaufe statt ihnen Geld direkt zu geben.

Doch hat der Herr niemals als Bedingung gefragt, was eine Person mit seiner Hilfe tun würde, oder wie sie leben würde, wenn er ihr hülfte. Glauben Sie, wir sollen dieses Problem Gott übergeben und uns keine Sorgen darum machen?
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Igor
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Re: Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von Igor »

Grüß Gott!

Ja, vor so einer Situation hat bestimmt schon einmal jeder gestanden und es stellte sich die Frage „Was tun?“, vor allem wenn man sich nicht sicher ist, was mit der Gabe dann der Empfänger anstellt (Alkohol, Drogen etc.)

Ich stellte diese Frage auch mal meinem damaligen Beichtvater, als diese sich mir stellte. Die Antwort war: „Im Zweifelsfall: Geben.“

Wenn diese Gabe durch den Empfänger missbräuchlich verwendet wird, dann muss er das letzendes vor Gott verantworten. Für uns sollte gelten:
Denn das Gericht ist erbarmungslos gegen den, der kein Erbarmen gezeigt hat. Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht.
(Jak 2,13)

Bzw. auch
Vor allem haltet fest an der Liebe zueinander; denn die Liebe deckt viele Sünden zu. Seid untereinander gastfreundlich, ohne zu murren.
(1. Petr. 4,8-9)

Wir sollten dabei vor allem Mt 25,31-46 uns in Erinnerung behalten.

Insoweit stimme ich meinen Vorrednern zu.

In Christo
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Als der Höchste hernieder fuhr, verwirrte Er die Sprachen, zerteilte Er die Völker, nun, da Er Feuerzungen ausgeteilt, ruft Er alle zur Einheit: Einmütig preisen wir deshalb den Heiligen Geist. (Pfingstkondakion im 8. Ton)
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songul
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Re: Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von songul »

Alles was geschrieben wurde ist richtig und Geben ist immer seliger als Nehmen.
Aber sowohl die Apostel der Didache als auch der Hl. Johannes von Kronstadt haben noch in Zeiten und Ländern gelebt in denen es den Sozialstaat in dem wir leben (dürfen) so nicht gegeben hat.
Es ist für jeden hier gesorgt, der das auch annimmt und sich helfen lassen möchte.
Ich weiss das aus eigener Erfahrung.
Wer gerne geben möchte, sollte in jedem Fall genauer hinschauen wem er was gibt, denn die Armut ist meist da mehr vorhanden wo sie weniger sichtbar ist (Rentner, kinderreiche Familien, private soziale Einrichtungen etc.).
Nicht zu vergessen ist es, den eigenen Gemeinden zu spenden(vor allem denen was zu geben die wirklich from the scrach sich aufbauen) und dadurch, dass sie durch das Verwenden der deutschen Sprache eben auch zum Gedeihen der hiesigen Gesellschaft beitragen.
Denn zu der materiellen Not vieler kommt ja unbedingt auch die geistige Not hinzu - und die zu lindern ist mindestens ebenso unsere Aufgabe.
Bruder Damian O.S.B.
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Re: Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von Bruder Damian O.S.B. »

Eine schwierige Frage.
Ich bin jetzt seid fast 23 Jahren Pförtner an unserer Kosterpforte,wenn jemand anklopft bekommt er auf jeden Fall eine
warme Mahlzeit gegebenen falls auch Lebensmittel wenn es für mehrer Personen ist oder eine Familie.Almosen=geld
gib es nur in außnahmefällen dafür haben wir einen Mitbruder in der Verwaltung. Auch Vermittle ich falls Kleidung gebraucht wird an die hiesige Katholische Kirchengemeinde welche eine kleiderkammer hat. Meistens kommen bei mir hier aber
keine wirklich bedürftigen sondern meine bekannten Pappenheimer(das ist kein bösartiger ausdruck) sondern diese Menschen kenne ich schon sehr lange. Meistens ist ihnen zu ende des Monats das Geld ausgegangen. Un dann kommen Sie zu mir an dieKlosterpforte zum Essen. Mein Grudsatz ist aber Wir Mönche bzw. Klöster sind auch für diese menschen da!!.
Christ7777777
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Re: Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von Christ7777777 »

Wenn du barmherzig gegenüber anderen bist ist gott auch beim Gericht barmherzig gegenüber dir, es ist ganz einfach.
Die Liebe macht dich närrisch. Im Guten Sinne jetzt. ;)
Dum Didl dei Dum dum dum.
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MariaM
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Re: Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von MariaM »

Hallo, ich möchte heute, zwei Jahre nach Eröffnung dieses Diskussionstrangs ;-), den ich gerade gefunden habe, daran anknüpfen, da ich auch mal wieder so ein Erlebnis hatte und darüber nachdenke, wie man sich da richtig als Christ verhält!

Bei mir ist es, muss ich sagen, sehr situations- und stimmungsabhängig, bzw. abhängig von dem Gefühl, das ich konkret dabei habe (und natürlich auch, ob ich Kleingeld habe ;-)) ... - manchmal gebe ich etwas, manchmal nicht. Aber das ist ja wahrscheinlich auch nicht das Gelbe vom Ei, oder?

Aber allen zu geben, auch wenn wahrscheinlich ist, dass kriminelle Banden dahinterstehen und/oder Drogen usw.. kanns doch auch nicht sein, oder? Oder ist es nicht an uns, das zu beurteilen? Soll man nach Möglichkeit allen etwas geben?
Natürlich weiss ich, dass Jesus gesagt hat, "Was ihr einen der Geringsten getan/gegeben habt, habt ihr für mich getan" etc. Aber was heisst das in der Praxis?

Ich spende ansonsten hin und wieder an Ärzte Ohne Grenzen, da ich ihre Arbeit - medizinische Hilfe - in verschiedenen Krisengebieten für wichtig und unterstützenswert halte, sie helfen wirklich da, wo es notwendig ist und es niemand anders tut. ¨

Aber wie handhabt man es "im Kleinen"? Was zu essen geben statt Geld? Oder an Organisationen spenden, die z.B. Obdachlosen helfen...?

Viele Grüsse, M.
Quinni
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Re: Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von Quinni »

Nun, ich habe mir für die Bettler, die bei uns in in den Städten sitzen, folgendes überlegt: ich lehne es ab, Geld zu geben, da ich erstens keine Banden unterstützen möchte, aber auch nicht dazu beitragen, dass sich jemand Alkohol oder Zigaretten davon kauft. Also frage ich, ob ich ihm/ ihr etwas zu essen, oder trinken spendieren darf.

Oder sehr oft sind es bei uns auch ältere Damen oder Herren mit einem Hund. Die bekommen meist ein oder zwei Dosen Futter und sind sehr dankbar dafür. Für mich ist das der Weg, der mir passend erscheint. Natürlich heißt es auch schon mal: ich habe gerade gegessen, dann frage ich schon mal: was für später? Aber meistens läuft es sehr gut so. Ich sehe es an den Gesichtern, wenn ich die Futterdosen oder mal eine Brezel oder ähnliches rüberreiche, dass es genauso willkommen ist wie Geld.
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Elias
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Re: Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von Elias »

Geben, auch wenn es nur ein paar Cents sind!
stephan
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Re: Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von stephan »

In Deutschland neige ich dazu, nichts zu geben. Im Zweifelsfall sage ich mir:
-geht Bettler/-in aktiv auf mich zu, eher nein, ist er/sie passiv, vielleicht schon
-ist er jung (ca. jünger 50 oder gar Kind), gebe ich nicht, ansonsten vielleicht...
-habe ich spontan das Gefühl, das ganze ist organisiert und zielt auf mein Gewissen ab, gebe ich nichts (so jeden Samstag und Sonntag das Spalier von Bettlern am Kircheneingang)
-im Ausland, wo es soziale Netze wie bei uns nicht gibt, gebe ich schon was. Ein 70-jähriges Omachen mit karger Rente auf kalten Moskauer Strassen lasse ich nie ohne eine Handvoll Rubel stehen.

Ich gebe gerne und, wie ich denke, auch nicht wenig: Familie, Frau, Kirche. Oder im Katastrophenfall. Aber ich mag das Gefühl nicht, dass man mir mit System Geld aus der Tasche ziehen will.
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MariaM
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Re: Bettler: Geben oder nicht?

Beitrag von MariaM »

Stephan, eben, so ähnlich geht es mir auch. Nur denke ich hin und wieder neu darüber nach... Danke auf jeden Fall an alle für die Anregungen! Gruss, M.
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