Frage zum orthodoxen Gebet

Neu in der orthodoxen Kirche - Wie lebe ich als orthodoxer Christ? Alle allgemeinen Fragen rund um die Orthodoxie.
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Marypoppins
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Frage zum orthodoxen Gebet

Beitrag von Marypoppins »

Guten Morgen,

Habe eben gerade nochmal die Gebetssammlung angeklickt.
(Find ich übrigens sehr schön)

Sind dort vorwiegend offizielle Gebete veröffentlicht?

Beten orthodoxe Christen mehr nach "Textvorlage" oder mehr im "freien Gebet" ?

Habt einen schönen gesegneten Tag
Mary
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theofan
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Beitrag von theofan »

Guten Tag, Mary,

es gibt eine Gebetsregel für die Morgen- und Abendgebete, die findet man auch im Internet, und zwar hier:

Morgengebete und Abendgebete

Eingestellt wurden diese Gebete von der ROK-Gemeinde in Neuss.
Der Klick auf den weiterführenden Link dort hat bei mir aber zum Öffnen mehrerer unerwarteter und unerwünschter Werbe- und Installationsfenster geführt. Deshalb nimm lieber gleich den oberen Link.

Mit der Aussage dort, man bete diese Regel nur vor der Teilnahme an der Liturgie, kann ich persönlich nichts anfangen, ich kenne es jedenfalls so nicht. Vor der Kommunion gibt es eine eigene Gebetsregel.

Es ist damit aber genau wie mit dem Fasten (nicht, dass du jetzt wieder den Eindruck gewinnst, wir sind hier alles Heilige): Das rechte Maß bestimmt der Geistliche bzw. Beichtvater. Als Minimum gilt die Gebetsregel des Hl. Seraphim v. Sarow (hier im Forum zu finden).

Gebet mit eigenen Worten ist nicht verboten, aber die o.g. Gebetstexte sind z.T. uralt und kommen "aus der Mitte der Orthodoxie", sie vermitteln die wahre Gebetshaltung und werden wohl von den meisten Orthodoxen bevorzugt.

Allerdings gelten die Angaben wieder mal nur für die russische Tradition, in anderen Teilen der Orthodoxie sehen die Regeln wieder anders aus.

Gottes Segen
Hans-Peter
Marypoppins
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Beitrag von Marypoppins »

Lieber Hans-Peter,

vielen Dank für die Antwort.

Leider sind mir Dinge, die für Euch völlig selbstverständlich sind, nicht klar.
Deshalb möchte ich an einer Stelle noch mal nachhaken.
TheoFan hat geschrieben: Es ist damit aber genau wie mit dem Fasten (nicht, dass du jetzt wieder den Eindruck gewinnst, wir sind hier alles Heilige): Das rechte Maß bestimmt der Geistliche bzw. Beichtvater. Als Minimum gilt die Gebetsregel des Hl. Seraphim v. Sarow (hier im Forum zu finden).
Wie funktioniert das praktisch, wenn der Geistliche das Maß Deiner Gebete festsetzt?

Siehst du ihn Sonntags, und er sagt Dir, was er für die nächsten Tage für angemessen hällt?

Oder sagt er es Dir nach der Beichte , weil er sich da ein Bild gemacht hat, was der Beichtende braucht?

Oder gehst Du , wenn Du zum Beispiel ein Problem hast zu ihm und
sagst worum es geht, und er kennt dann das Maß?


Das setzt dann aber einen sehr engen und regelmäßigen Kontakt zum Beichtvater voraus.

Also ich denke schon, daß ihr sehr besondere Christen seid.

Gott segne und beschütze Dich
Mary
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theofan
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Beitrag von theofan »

Liebe Mary,

danke für die Segenswünsche.

Es gibt Glückliche, die haben wirklich einen solch engen Kontakt zu "Ihrem" geistlichen Vater. Die Kirchenväter raten allgemein dazu, nie etwas "aus sich selbst heraus" zu tun. "Frage notfalls den ersten, der durch die Türe kommt", hat mir mein geistlicher Vater mal empfohlen (den sehe ich einmal in drei Jahren :( ).

Fasten- und tägliche Gebetsregel muss man ja nun nicht wöchentlich neu abstimmen, nur wenn sich die Rahmenbedingungen ändern. Es ist doch keine Sünde, wenn man in Stressphasen kürzer betet - aber einfach so seine eigenen Regeln aufstellen ist eine Gefährdung auf dem geistlichen Weg (Mir passiert das z.B. dennoch dauernd).

Klären kann man solche Fragen im persönlichen Gespräch mit seinem Pfarrer nach dem Gottesdienst, man kann ihn auch mal nach Hause einladen, "brennende Fragen" auch in der Beichte ansprechen.

In der Praxis ist das Thema natürlich schwierig, man kommt an eigenen Entscheidungen nicht vorbei. Sicherlich auch gottgewollt. In wesentlichen Dingen muss man sich aber leiten lassen, um nicht hochmütig zu werden.

Gott zum Gruße
Hans-Peter

Aus den Fragen des hl. Abba Dorotheos (13.08.) und den Antworten darauf der Hll. Starzen:

Frage 86: Einmal hat mir jemand ein Stück Kleidung geschenkt, und ich weiß noch, dass ich es mit Freude entgegennahm, ohne innere Zweifel zu spüren. Später prüfte ich mich und fand, dass ich es nicht aus Not annahm, sondern eher aus Besitzstreben, und nun überlege ich, es zurückzugeben. Was empfiehlst du mir zu tun?

Antwort des Starzen Johannes: So lass uns von ganzem Herzen den Geber loben und aus ganzer Seele den Empfänger schimpfen, und das Kleid tragen mit Demut und Selbstbezichtigung, auf dass wir künftig vor Habsucht bewahrt bleiben.
Marypoppins
Beiträge: 151
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Beitrag von Marypoppins »

Lieber Hans-Peter ,

das ist wirklich sehr beeindruckend.

Ich muß jetzt an die Ecke mit den Gebetsanliegen denken.

Ist da das spontane Gebet für andere erlaubt, oder muß man hier auch zuerst nachfragen? - Oder genügt die Bitte des Nächsten?


Gott befohlen
Mary
protopeter
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Beitrag von protopeter »

Liebe Mary !

Selbstverständlich ist in der orthodoxen Tradition auch das "spontane", frei formulierte Gebet erlaubt; wie sie richtig sagen, natürlich auch auf die Bitte des Nächsten. Im Gebet ist es eben gleichfalls möglich, der - im Rahmen unserer Diskussionen schon oft angesprochenen - gottmenschlichen Synergie zu jeder Zeit ihren besonderen Ausdruck zu verleihen.

Herzlich grüßt
Erzpr. Peter
Marypoppins
Beiträge: 151
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Beitrag von Marypoppins »

Lieber Protopeter!

Herzlichen Dank für die Erklärung.

Hier im Forum sind wirklich sehr schöne Gebete gesammelt worden .
Gibt es denn Gebetbücher die Lieder und Gebete enthalten in deutscher Übersetzung?
Oder muß man sich das alles noch mühsam zusammensuchen und übersetzen?

Wie ist das eigentlich bei der Feier der Liturgie- predigt der Geistliche in
griechischer, russischer, serbischer....-Sprache?
In welcher Sprache singen und beten die orthodoxen Gemeinden in Deutschland?

Ihnen und Allen Gottes Beistand für diesen Tag
Mary
Walter
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Beitrag von Walter »

Marypoppins hat geschrieben:Wie ist das eigentlich bei der Feier der Liturgie- predigt der Geistliche in
griechischer, russischer, serbischer....-Sprache?
In welcher Sprache singen und beten die orthodoxen Gemeinden in Deutschland?
  • Griechen:
    • Gesang/Gebete: Altgriechisch oder Deutsch
    • Predigt: Neugriechisch oder Deutsch
  • Russen:
    • Gesang/Gebete: Kirchenslawisch oder Deutsch
    • Predigt: Russisch oder Deutsch
  • Serben:
    • Gesang/Gebete: Serbisch oder Deutsch
    • Predigt: Serbisch oder Deutsch
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holzi
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Beitrag von holzi »

Walter hat geschrieben:
  • Serben:
    • Gesang/Gebete: Serbisch oder Deutsch
Das überrascht mich jetzt. Ich dachte immer, die Serben hätten auch das Kirchenslawische als Gottesdienstsprache?
Marypoppins
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Beitrag von Marypoppins »

Lieber Walter,

danke für die Auskunft.

Wenn ich also gerne mal eine orthodoxe Liturgie besuchen würde, und mich nach einer entsprechenden Kirche in meiner Umgebung umschaue, sollte ich wohl besser vorher anrufen und fragen in welcher Sprache gepredigt wird.

Gottes Segen Euch Allen

Mary
protopeter
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Beitrag von protopeter »

Lieber Konrad !
Das überrascht mich jetzt. Ich dachte immer, die Serben hätten auch das Kirchenslawische als Gottesdienstsprache?
In der serbischen Tradition wurde bis etwa 1950 fast ausschließlich in kirchenslawischer Sprache Gottesdienst gehalten; danach entstanden allmählich Übersetzungen - wobei die auf Archimandrit Justin Popovic zurückgehenden in mancher Hinsicht als qualitätsvollste zu betrachten sind.

Grüße aus Salzburg sendet
Erzpr. Peter
holzi
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Beitrag von holzi »

Danke, lieber Vater Peter,
man lernt nie aus!

Grüße
Konrad
protopeter
Priester
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Beitrag von protopeter »

Liebe Mary !
Gibt es denn Gebetbücher die Lieder und Gebete enthalten in deutscher Übersetzung ?
Selbstverständlich gibt es - durchaus auch über den Buchhandel zu beziehende - orthodoxe Gebetbücher in deutscher Sprache.

Herzliche Segensgrüße sendet
Erzpr. Peter
Walter
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Beitrag von Walter »

protopeter hat geschrieben:Liebe Mary !
Gibt es denn Gebetbücher die Lieder und Gebete enthalten in deutscher Übersetzung ?
Selbstverständlich gibt es - durchaus auch über den Buchhandel zu beziehende - orthodoxe Gebetbücher in deutscher Sprache.

Herzliche Segensgrüße sendet
Erzpr. Peter
Liebe Mary,

zwei orthodoxe Gebetbücher in deutscher Sprache wurden hier im Forum bereits vorgestellt:
  1. http://orthodoxes.forum-on.de/sutra1770.html#1770
  2. http://orthodoxes.forum-on.de/sutra3046.html#3046
Ich habe mir inzwischen beide zugelegt. Das zweite, also das des Moskauer Patriarchats (neu bearbeitet vom Mönchspriesters Benedikt Schneider) ist kleiner, handlicher und trotzdem umfangreicher. Die Übersetzungsqualität ist m.E. auch nicht schlechter. Das andere, vom Kloster des Hl. Hiob von Pocaev in München (russ. Auslandskirche), ist durch den Zweifarbendruck und drei verschieden farbige Lesebändchen schöner zu lesen, aber unvollständiger und passt aber durch das etwa 2 cm größere Format nicht mehr gut in Hemd- oder Hosentaschen. Beide haben also ihre Vor- und Nachteile.

Gesegnete Grüße
Walter
γενηθήτω το θέλημά σου·
Rene

Beitrag von Rene »

Hallo,
ich persönlich halte die Übersetzung aus München für besser, textgenauer. Ein Beispiel ist das "Vater unser", das weißt Du aber sicher auch, lieber Walter.
Maßgabe ist eben der griechische Text.
Die Ausgabe des MP ist aber in der Tat etwas handlicher, das finde ich auch schön.
Ich habe mir auch beide Ausgaben zugelegt.
Beste Grüße
Rene
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